10.06.2016
 3 Minuten

Antimagnetische Uhren

Von Christopher Beccan
Antimagnetische Uhren

Antimagnetische Uhren

Antimagnetische Uhren

Mechanische Uhren sind eines der großen mechanischen Wunderwerke der Menschheit, wobei ihre Technik auch als archaisch angesehen werden könnte, bei all den Zahnrädern und Federn. Doch genau das macht sie bis heute zu einem der kompliziertesten vom Menschen entwickelten Geräte. Was von außen so simpel aussieht und einem so alltäglichen Zweck dient, ist im Inneren von immenser Komplexität. Es liegt auf der Hand, dass eine Armbanduhr viel kleiner und damit natürlich auch deutlich fragiler als andere technische Apparate ist. Mechanische Armbanduhren bestehen aus Brücken, Federn und zahlreichen Zahnrädern, deren perfektes Zusammenspiel leicht durch unsichtbare äußere Kräfte aus dem Takt geraten kann.

In dieser Hinsicht sind natürlich Stöße und Temperaturschwankungen ein bedeutender Faktor, doch eine der größten unsichtbaren Störquellen sind Magnetfelder.

Magnetismus und Genauigkeit

Seit der ersten mechanischen Uhr war Magnetismus ein Fluch für jeden präzisen Zeitmesser. Mit der zunehmenden Präsenz von Magnetfeldern steigt auch die Gefahr einer Magnetisierung von Uhren. Die Auswirkungen eines schwachen Magnetfeldes sind eine größere Plage als man annehmen würde, denn selbst ein kleines Feld kann Ihre Uhr aus dem Takt bringen und sie einige Sekunden vorgehen lassen. Durch die Wirkung eines starken Magnetfeldes kann Ihr Zeitmesser sogar mehr oder weniger unbrauchbar werden. Nun fragen Sie sich vielleicht, wo diese Magnetfelder auftreten können? Heutzutage sind sie so gut wie überall: in Lautsprechern, Mikrofonen, Computern und auch in Handys.

Wenn also schon solche alltäglichen Gegenstände Probleme verursachen können, graut es mir bei dem Gedanken an die Magnetfelder, denen manche Wissenschaftler ausgesetzt sind, und deren Auswirkungen auf ihre Uhren. Auch wenn nicht ganz klar sein mag, wer bei den antimagnetischen Uhren des ausgehenden 19. Jahrhunderts was erfunden hat, ist eines doch sicher: Sie hatten Einfluss auf die heutigen Armbanduhren.

Antimagnetische Uhren: von den Anfängen bis heute

Es ist zwar nicht genau belegt, wer die erste antimagnetische Armbanduhr erfunden hat, doch die 1948 eingeführte IWC Pilot’s Watch Mark XI war sicher eine der ersten. In den 1950er-Jahren führten außerdem Marken wie Omega (mit der Railmaster), Rolex (mit der Milgauss) und sogar Jaeger-LeCoultre (mit der Geophysic) ihre eigenen Ausführungen antimagnetischer Armbanduhren ein. Bei diesen handelte es sich um Allzweck-Arbeitsuhren, die eine Schutzschicht aus Weicheisen (einer Art faradayschen Käfig) um das Uhrwerk herum erhielten, um es gegen Magnetismus abzuschirmen.

Faradaysche Käfige werden auch heute noch verwendet, doch in den letzten Jahren haben sich die Werkstoffe in der Uhrmacherei so sehr verbessert, dass die meisten Schweizer Uhren die Mindestanforderungen der entsprechenden Norm auch so erfüllen. Zudem produzieren die Hersteller inzwischen amagnetische Armbanduhren, die noch resistenter gegen Magnetismus sind. Das aktuelle antimagnetische Modell von Omega ist die Seamaster Aqua Terra > 15.000 Gauß, die mehr als 15.000 Gauß standhält. Viel beeindruckender ist jedoch, dass ihr dieses Kunststück ohne einen faradayschen Käfig gelingt. Das Werk (Kaliber 8508) besteht komplett aus nicht eisenhaltigen Materialien, daher die hohe Widerstandsfähigkeit gegen Magnetismus.

Eine andere Marke, die immer noch eine antimagnetische Armbanduhr herstellt, ist Rolex. 1958 schuf Rolex die Milgauss, die > 1000 Gauß standhält (daher der Name), in Zusammenarbeit mit dem CERN. Die Milgauss wird auch heute noch produziert, allerdings mit einigen zeitgemäßen Verbesserungen. Bei der Milgauss kommt nach wie vor ein faradayscher Käfig zum Einsatz, ihr Werk ist aber trotzdem mit der neusten Rolex-Technologie ausgestattet, wie z. B. der Parachrom-Spirale und anderen nicht eisenhaltigen Werkstoffen. Es ist gut möglich, dass die Milgauss durch diese Verbesserungen auch Magnetfeldern über > 1000 Gauß standhält, aber vermutlich wollte Rolex der Tradition des Namens gerecht werden.

Jaeger-LeCoultre Geophysic
Jaeger-LeCoultre Geophysic, Bild: © Bert Buijsrogge

Eine Marke, die kürzlich ihre antimagnetische Uhr wieder ins Programm genommen hat, was ich übrigens für eine wunderbare Entscheidung halte, ist Jaeger-LeCoultre. 2014 hat Jaeger die Geophysic 1958 in limitierter Auflage wieder eingeführt, die viele Stilmittel der historischen Geophysic aufgreift. Doch vor allem ist die neue Geophysic 1958 ebenfalls amagnetisch. Angetrieben wird die Geophysic von dem hauseigenen Kaliber 898/1, das besonders stoßfest, aber vor allem immer noch mit einem Innengehäuse aus Weicheisen ausgestattet ist, welches das Werk wie beim Vorgängermodell vor Magneteinflüssen schützt.


Über den Autor

Christopher Beccan

Christopher Beccan ist Gründer des Online-Magazins „Bexsonn“ und schreibt dort regelmäßig über seine zwei Leidenschaften: Außergewöhnliche Uhren und Whisky. Weitere …

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