28.10.2022
 5 Minuten

Audemars Piguet Royal Oak und Royal Oak Offshore: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Von Jorg Weppelink
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Wer sich ein wenig mit Uhren auskennt, kennt die Audemars Piguet Royal Oak – und wahrscheinlich auch Gérald Genta, ihren Schöpfer. Aber wussten Sie, dass Genta die Royal Oak Offshore eigentlich verhasst war? Und dass der Royal Oak Offshore lange Zeit nicht der kommerzielle Erfolg beschieden war, den sich Audemars Piguet erhofft hatte? Die Royal Oak ist ohne Frage eine der beliebtesten und einflussreichsten Uhren aller Zeiten. Aber auch die Royal Oak Offshore ist inzwischen Legende. Hier erfahren Sie mehr über die beiden Modelle und ihre gemeinsame Geschichte. 

Die Story hinter der Audemars Piguet Royal Oak

Die Geschichte beginnt im Jahr 1972 mit der Audemars Piguet Royal Oak „Jumbo“. Zu dieser Zeit war die Royal Oak ein ziemlich gewagtes Statement. Sie zeichnete sich durch ein für die damalige Zeit riesiges Gehäuse mit 39 mm Durchmesser (nicht umsonst trug sie den Namen „Jumbo“), ein breites, integriertes Armband und einen sehr technischen Industrielook aus. In einer Welt voller kleiner, schlanker Dresswatches fiel sie auf wie ein bunter Hund. Und als ob das nicht gereicht hätte, war die Royal Oak auch noch teuer. Was die Marke Audemars Piguet durch die Stürme der Quarzkrise bringen sollte, kam zunächst als sehr extravagantes Schaustück für einen eher speziellen Kundenkreis daher. Und am Anfang war sie das auch. Die Uhr aus Edelstahl kostete bei ihrer Einführung 3.300 Schweizer Franken. Das war mehr, als man bei Patek Philippe für eine goldene Dresswatch berappen musste – und zehnmal so viel wie für eine Rolex Submariner. 

Die „Jumbo“ war die erste Audemars Piguet Royal Oak.
Die „Jumbo“ war die erste Audemars Piguet Royal Oak.

Die verschiedenen Formen der Audemars Piguet Royal Oak  

Allerdings zeichnete sich nicht nur der Preis durch Extravaganz aus. Mit seinem Entwurf betrat Genta in Sachen Formen, Materialien, Technik und Verarbeitung völliges Neuland, und erschuf quasi einen völlig neuen Uhrentyp. Die Stahluhr mit integriertem Armband erfreute sich großer Beliebtheit – die moderne Luxussportuhr war geboren. Wie die meisten wissen, sollte Genta später auch die Patek Philippe Nautilus und die IWC Ingenieur entwerfen. Betrachtet man seine berühmte Trilogie der Luxussportuhren genauer, erkennt man den Geniestreich des Schweizer Designers: die drei einfachen, symmetrischen Lünettenformen, welche diese Uhren so sehr prägen.   

Der Zauber des Royal Oak-Konzepts 

Gentas Royal Oak verfügt über eine achteckige Lünette, während die der Nautilus quadratisch und die der Ingenieur kreisrund ist. In der Erforschung und Anwendung dieser einfachen Formen zeigt sich Gentas wahres Genie. Ihm ging es nicht einfach um eine schöne Uhr – darüber waren sich die Fachleute zum Zeitpunkt der Einführung der Royal Oak herzlich uneins – sondern er konzipierte die Designs auf einem höheren Niveau. Der besondere Zauber der Audemars Piguet Royal Oak liegt in einigen wenigen Schlüsselelementen. Das erste ist die achteckige Lünette im Industriedesign mit den sichtbaren Schrauben. Dazu kommt das integrierte Armband. Das dritte Hauptelement ist das schlanke Gehäuse der Uhr, durch das sie sich elegant und angenehm trägt. Dieses dritte Element ist ein oft übersehener, aber entscheidender Aspekt, der auch die Royal Oak Offshore auszeichnet. 

Gérald Genta und Audemars Piguet erfanden ein völlig neues Uhrendesign.
Gérald Genta und Audemars Piguet erfanden ein völlig neues Uhrendesign.

Audemars Piguet: Perfektion auf höchstem Niveau 

Genta und Audemars Piguet experimentierten mit verschiedenen Materialien, Technologien und Verarbeitungsmethoden, um das Konzept so perfekt wie möglich umzusetzen. Außerdem benötigte Audemars Piguet ein passendes, ultraflaches Uhrwerk für sein neues Flaggschiff. Mit dem Automatikkaliber 2121, das unter Uhrenfans legendären Ruf genießt, ist das gelungen. Das wunderschön verarbeitete Uhrwerk misst nur 3,05 mm in der Höhe, sodass die ganze Royal Oak „Jumbo“ mit nur 7 mm Dicke auskommt. Für die ersten Prototypen verwendete Audemars Piguet Weißgold anstelle des Edelstahls, der dann bei den Serienmodellen zum Einsatz kam. Das Resultat sorgte 1972 bei seiner Präsentation auf der Uhrenmesse in Basel für einen Schock. Einige Jahre später erkannte die Uhrenwelt die Royal Oak als das an, was sie war: Eine bahnbrechende Uhr, welche die Art und Weise, wie wir Uhren betrachten, neu definierte.  

Das Erbe der Audemars Piguet Royal Oak „Jumbo“ 

Fünfzig Jahre danach ist die Royal Oak von Gérald Genta nicht nur eine der bekanntesten Uhren der Welt, sondern auch eine der beliebtesten. Zu Beginn diesen Jahres stellte Audemars Piguet eine völlig neue Royal Oak-Kollektion vor. Die wichtigste Neuerung sind die neuen Uhrwerke. Ein logischer Schritt, denn die neuen, modernen Kaliber machen die Royal Oak zukunftstauglich. Darüber hinaus fällt jedoch auf, dass das Design der Audemars Piguet Royal Oak im Grunde kaum verändert wurde. Zwar bleiben Kennern und Fans die kleinen neuen Details nicht verborgen – aber das brillante Konzept und das Genta-Design blieben weitgehend unangetastet. Das können nach ganzen fünfzig Jahren nicht viele von sich behaupten. 

Die Royal Oak Offshore als ganz neue Version von Gérald Gentas Ikone.
Die Royal Oak Offshore als ganz neue Version von Gérald Gentas Ikone.

Die Audemars Piguet Royal Oak Offshore 

Das bedeutet jedoch nicht, dass Audemars Piguet nicht auch versucht hätte, die Royal Oak-Kollektion zu erweitern. Im Jahr 1989 beauftragte Stephen Urquhart, Mitgeschäftsführer bei Audemars Piguet, den damals 22-jährigen Designer Emmanuel Gueit mit dem Entwurf einer neuen Version der Royal Oak für ein jüngeres männliches Publikum. Gueit entwickelte daraufhin eine „typische“ Herrenuhr, indem er die Proportionen radikal veränderte: größer, stärker und kraftvoller. Abgesehen davon behielt er Gentas Royal Oak-Konzept jedoch bei. Ein dekonstruierter Ansatz dieses berühmten Designs bildet die Basis der Hauptästhetik der Audemars Piguet Royal Oak Offshore. Daneben ist diese Uhr mit einem massiven Dichtungsring aus Kautschuk ausgestattet. Drücker und Krone sind mit demselben Material überzogen. Das Endergebnis war eine wuchtige 16 mm dicke Edelstahluhr mit 42 mm Durchmesser. Kombiniert mit ihrem schweren Edelstahlarmband war das Ergebnis eine recht kühne Interpretation der klassischen Royal Oak, extrem in Aussehen und Tragegefühl. Mit ihren 42 mm war diese Uhr wirklich riesig für ihre Zeit, was ihr den Beinamen „The Beast“ eintrug. 

Warum Gérald Genta die Audemars Piguet Royal Oak Offshore verabscheute 

Urquhart erkannte selbst, dass diese neue Interpretation der berühmten Audemars Piguet Royal Oak recht gewagt war und nicht nur Beifall ernten würde. Deswegen schob er die Einführung der Offshore einige Jahre auf. Auf der Baselworld 1993 war es dann so weit. Viele Uhrenfreunde waren von der neuen Royal Oak Offshore alles andere als begeistert. Und Genta? Jahre später berichtete Gueit in einem Interview, dass Gérald Genta höchstpersönlich in den Messestand gestürmt sei und gebrüllt habe, seine Royal Oak sei „völlig zerstört“ worden. Ob er damit recht hatte, ist bis heute Ansichtssache. Was wir jedoch sagen können, ist, dass sich der kommerzielle Erfolg auch bei der Royal Oak Offshore im Laufe der Zeit einstellte. Und als plötzlich übergroße Uhren in Mode kamen, war die Offshore eines der beliebtesten Modelle überhaupt. Eine weitere bemerkenswerte Tatsache: Die Royal Oak Offshore ist der erste Chronograph der Royal Oak-Familie. Die reguläre Royal Oak Chronograph folgte erst 1997, vier Jahre nach der Offshore.  

The Audemars Piguet Royal Oak Offshore was a bold take on Genta's legacy.
Die Audemars Piguet Royal Oak Offshore ist eine mutige Interpretation des Genta-Klassikers.

Royal Oak Offshore vs. Royal Oak „Jumbo“: der Vergleich

Fast dreißig Jahre nach ihrer Einführung ist auch die Audemars Piguet Royal Oak Offshore zu einer Ikone geworden. Vor allem die erste Referenz 25721ST mit dem Spitznamen „The Beast“ ist heute ein geschätzter Klassiker. Diese zunehmende Wertschätzung hat auch ihren Preis langsam, aber stetig steigen lassen. Die Preise der regulären Audemars Piguet Royal Oak im Allgemeinen und die der Royal Oak „Jumbo“-Referenzen im Besonderen sind in den letzten Jahren raketenartig in die Höhe geschossen, um dann Anfang 2022 wieder spürbar nachzulassen. Dagegen verzeichneten die Preise der Royal Oak Offshore-Modelle über die Jahre einen allmählichen Anstieg – und machen keinerlei Anstalten, wieder zu sinken. Nur als grober Richtwert: „The Beast“ wird derzeit je nach Zustand zwischen 30.000 bis 45.000 Euro gehandelt. 

The financial development of the Audemars Piguet Royal Oak Offshore.
Wertentwicklung der Audemars Piguet Royal Oak Offshore.
The Financial Development of the Audemars Piguet Royal Oak
Wertentwicklung der Audemars Piguet Royal Oak

Fun Fact zum Schluss: Sowohl die Audemars Piguet Royal Oak „Jumbo“ als auch die Audemars Piguet Royal Oak Offshore waren bei ihrer Einführung sehr gewagte Statements. Doch während die Royal Oak „Jumbo“ inzwischen zum viel gepriesenen Klassiker avanciert ist, scheiden sich an der Royal Oak Offshore nach wie vor die Geister, obwohl immer mehr Uhrenfans ihre historische Bedeutung erkennen. Auch wenn sie definitiv nicht jedem gefällt, so ist diese wuchtige Version von Gentas berühmter Royal Oak ein echtes Highlight der Uhrenwelt.  


Über den Autor

Jorg Weppelink

Hallo, ich bin Jorg und schreibe seit 2016 Artikel für Chrono24. Meine Beziehung zu Chrono24 reicht jedoch deutlich weiter zurück, denn meine Liebe zu Uhren erwachte …

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