15.03.2023
 6 Minuten

Blancpain – stiller Meister der Uhrmacherkunst

Von Barbara Korp
Blancpain-2-1

Dank dem 70-Jahre-Jubiläum der ersten Taucheruhr, der Fifty Fathoms, ist der Name Blancpain wieder in aller Munde. Wir Uhrenliebhaber sollten dies zum Anlass nehmen, nicht nur einen Blick auf die Sondereditionen jenes Modells zu werfen, sondern auch auf die Marke an sich. Denn wenngleich Blancpain nach eigenen Angaben die älteste Uhrenmarke ist, erhält sie nach wie vor weniger Aufmerksamkeit, als sie verdient hätte. Dabei wurden nicht nur einige bahnbrechende Erfindungen von dieser Marke gemacht – Blancpain ist der einzige Uhrenhersteller, die noch nie eine Quarzuhr hergestellt hat! Heute teilen wir mit Ihnen, warum uns Blancpain begeistert – und hoffentlich Sie auch schon bald!

Geschichte der Marke

1735 – bis auf dieses Jahr geht die Geschichte von Blancpain zurück. Damals registrierte sich Jehan-Jacques Blancpain im Verzeichnis seiner Heimat, des Dorfes Villeret, als Uhrmacher. Seine Nachkommen führten das Unternehmen weiter und bereits 1815 wurden extraflache Uhrwerke entwickelt. Die Uhren waren sehr gefragt, und so begann man mit deren Serienproduktion. Dies führte dazu, dass Blancpain bald eines der wichtigsten Unternehmen Villerets wurde. Ganz am Puls der Zeit folgte bereits 1926 die erste automatische Armbanduhr. Als jedoch 1932 Frédéric-Emile Blancpain starb und die Tochter das Unternehmen nicht übernehmen wollte, kam es zum Verkauf an zwei Mitarbeiter – darunter die langjährige Assistentin Betty Fiechter. Hatte diese im Hintergrund schon die Jahre zuvor die Marke geprägt, wurde es nun offiziell: Eine Frau stand – wenn auch zusammen mit einem Mann – an der Spitze des Konzerns! Bis 1950 leitete sie das Unternehmen und wurde dann von ihrem Neffen abgelöst.

Schon früh hatte man damit geworben, keine Quarzmodelle herzustellen. Somit war Blancpain eines der Unternehmen, die von der Quarzkrise am heftigsten getroffen wurden. 1983 wurden die Namensrechte von Blancpain an zwei Legenden der Uhrenindustrie verkauft: Jean-Claude Biver und Jacques Piguet. Der Verkaufspreis damals betrug lediglich 22.000 Franken! Das Duo verlegte die Produktion nach Le Brassus und schaffte das Unmögliche – Blancpain wieder zum Leben zu erwecken. Als man 10 Jahre später die Marke an die heutige Swatch Group verkaufte, war der Verkaufspreis ganze 60 Millionen Franken! Eine solch enorme Wertsteigerung ist äußerst selten. Heute beweist das Unternehmen, dass es wieder eine Branchengröße ist und sogar neue Maßstäbe setzen kann.

Fifty Fathoms

Fifty Fathoms, also 50 nautische Fäden und somit 91,44 Meter. Bis zu dieser Tiefe garantierte Blancpain die Wasserdichtigkeit der ersten Taucheruhr überhaupt. Für damalige Verhältnisse war dies wirklich bahnbrechend! Entwickelt wurde die Uhr für die französische Marine und war die erste Funktionsuhr für Taucher – noch vor der berühmten Submariner von Rolex! Auch verfügte die Uhr bereits über eine einseitig drehbare Lünette, die heute noch immer Standard für alle Taucheruhren ist.

Auch wenn die heutigen Modelle eine weitaus höhere Wasserdichtheit aufweisen (mindestens 300 Meter und somit 164 Fathoms), so blieb der Name Fifty Fathoms für die Kollektion bestehen. Zudem umfasst die heutige Kollektion nicht nur einfache Drei-Zeiger-Uhren, sondern auch Stücke, die man wohl kaum zum Tauchen tragen würde: Ob Chronographen mit Flyback-Funktion oder gar mit Tourbillon und aus Rotgold – einige Fifty Fathoms-Modelle sind mehr Liebhaberstücke für Uhrensammler als Taucheruhren. Doch kann es einen schöneren Tribut an solch eine legendäre Uhr geben?

Blancpain Fifty Fathoms Tourbillon

Doch auch Legenden müssen mit der Zeit gehen: Zum 60-Jahre-Jubiläum 2013 brachte Blancpain die Bathyscaphe-Kollektion heraus, benannt nach dem legendären U-Boot des Schweizer Forschers Auguste Piccard. Mit ihrem deutlich moderneren Design entsprach diese mehr dem Zeitgeist. War sie zu Beginn nur mit 43 mm Durchmesser erhältlich, so folgte 2017 auch eine Version in 38 mm. Diese ist nicht nur für schmalere Handgelenke, sondern auch für Damen perfekt geeignet.

Fifty Fathoms Bathyscaphe

Villeret

Villeret – dies ist nicht nur der Stammsitz von Blancpain, sondern auch der Name der umfangreichsten Kollektion. Wie keine andere umfasst diese Stücke, für die Blancpain steht. Von bewusst schlichten bis hin zu aufwändigen Uhren, hier werden Liebhaber aller Materialien, Größen und Komplikationen fündig. Besonders die Komplikationen, die in dieser Kollektion angeboten werden, sind es, auf welche jeder Uhrenliebhaber einen näheren Blick werfen sollte. Denn in ihnen zeigt sich die einmalige Klasse von Blancpain.

Natürlich finden sich in der Villeret-Kollektion Modelle mit Tourbillon, einer Komplikation, die den Einfluss der Erdanziehungskraft auf die Präzision der Uhr ausgleicht. Häufig ist dies ein fliegendes Tourbillon. Denn diese Konstruktion, die einen besseren Blick auf das Tourbillon ermöglicht, wurde von Blancpain als erste Manufaktur eingeführt! Neben dem Tourbillon bietet Blancpain aber noch eine weitere Komplikation, die den Einfluss der Gravitation auf den genauen Gang der Uhr verringern soll: das Karussell. Während beim Tourbillon ein Räderwerk die Verbindung zum Federhaus herstellt, sind es beim Karussell zwei. Durch Antriebskraft für die Hemmung und Kontrolle des Drehgestells soll ein möglichst genauer Gang gewährleistet werden. Natürlich ist es durch ein teilweise durchbrochenes Zifferblatt auf den jeweiligen Uhren auch gut in Szene gesetzt. Für alle, die eine ganz besondere Komplikation suchen – in einem Karussell haben Sie diese gefunden!

Blancpain Villeret Karussell

Ganz anders, doch ebenfalls ein Highlight ist die Villeret Chinese Calendar. Ein Ewiger Kalender gilt schon als sehr aufwändige Komplikation – doch noch komplexer ist ein traditioneller chinesischer Kalender. Auf einer Uhr diesen sowie den gregorianischen Kalender parallel darzustellen, gilt als besondere Herausforderung. Beruht doch der chinesische Kalender auf Mondzyklen mit Zwischenmonaten alle zwei bis drei Jahre. Demgegenüber orientiert sich der gregorianische Kalender an Sonnentagen. Auch gibt es im gregorianischen Kalender 24 Stunden, im Chinesischen jedoch 12 Doppelstunden, die alle von einem anderen Tier des chinesischen Tierkreises verkörpert werden. Fünf Jahre Forschung waren notwendig, um diese beiden Zeitanzeigen aufeinander abzustimmen. Doch das Ergebnis ist perfekt: Alle Aspekte beider Kalender werden korrekt am Zifferblatt wiedergegeben. Ein aufwändigeres und schöneres Stück als die Villeret Chinese Calendar ist kaum zu finden.

Blancpain Villeret Chinese Calendar

Ladybird

Wie der Name schon vermuten lässt – die Uhren dieser Kollektion richten sind an Damen. Sie sind verspielt, mit Diamanten besetzt und ihre Zifferblätter sind teils extravagant gestaltet. Ertappen Sie sich, dass Sie schon den Blick abwenden wollen, weil dies reine Schmuckuhren sind? Warten Sie bitte noch damit und lesen Sie weiter: Die Ladybird-Uhren sind auch horologische Meisterwerke. Nicht nur verfügen alle, wie bei Blancpain üblich, über automatische Uhrwerke. Einige Modelle mit der Zusatzbezeichnung Ultraplate sind maximal 9 mm hoch – also ultraflach! Diese Kollektion ist eine erfreuliche Ausnahme in der Welt der Damenuhren. Ob mit Mondphasenanzeige als Komplikation oder als 3-Zeiger-Modell – diese Kombination von Ästhetik und Technik wäre ein wünschenswerter Standard in der Welt der Damenuhren!

Blancpain Ladybird Ultraplate

Air Command

Nachdem man für die Marine die Fifty Fathoms entwickelt hatte, zeigte auch die Luftwaffe Interesse an einer Uhr für ihre Zwecke. So entstanden in den 1950er Jahren die ersten Air Command-Modelle. Diese wurden jedoch nur in sehr geringer Stückzahl hergestellt, welche heute allesamt als kostbare Sammlerstücke gehandelt werden. Als Ende 2021 eine neue Air Command-Linie eingeführt wurde, kam das für die Uhrenwelt überraschend. Ja, noch dazu geschah die Neueinführung so leise, dass die Uhr noch immer unter dem Radar vieler Liebhaber läuft. Dabei ist die neue Air Command in meinen Augen eine perfekte Uhr: ein Flyback-Chronograph mit Countdown-Lünette – somit irgendwie eine Fliegeruhr, aber eben doch ganz anders.

Auch eine Damenversion der Air Command ist erhältlich – ein Flyback-Chronograph mit nur 36 mm Durchmesser! Aber kein Wunder. Schließlich war Blancpain die erste Firma, die Flyback-Chronographen für Frauen im Sortiment hatte. Ist die Air Command für einen Herren eine tolle Uhr, ist sie für mich als Frau noch mehr: Sie ist die ultimative Gleichberechtigung in Uhrenform. Gleiches Design, gleiche Funktion, nur in kleiner. Denn die schönste Damenvariante einer Uhr ist für mich die, die frei von Kompromissen ist.

Blancpain Air Command

Métiers d’Art und Bespoke

Neben all den Kollektionen, die man erwerben kann, bietet Blancpain einen ganz besonderen Service an: Bespoke-Uhren, die Teile Ihrer Métiers d’Art-Linie sind. Diese umfasst nicht nur extrem seltene Meisterwerke der Uhrmacherkunst, sondern auch individuell für Kunden gefertigte Stücke. Denn bei Blancpain werden nicht nur Uhren der bestehenden Kollektionen personalisiert. Nein – es werden individuelle Stücke nach den Vorgaben und Vorlieben der Kunden erarbeitet. Diese Unikate werden dann auch nicht beworben und man erlangt viel zu selten einen Blick auf solch ein Stück. Wenn man sich so ein Exemplar jedoch nicht leisten kann, ist ein beliebtes Service das Gravieren der Schwungmasse. Hierbei wird sogar noch mit von den Graveuren selbst hergestellten Werkzeugen gearbeitet. Eine schönere Personalisierung einer Uhr auf handwerklich höherem Niveau werden Sie kaum finden!

Fazit

Auch wenn Blancpain zu den großen Marken der Uhrenindustrie zählt und mehrere Meilensteine in deren Entwicklung gesetzt hat, ist sie aktuell beinahe ein Geheimtipp. Dies liegt sicher auch daran, dass man auf medienwirksame Markenbotschafter verzichtet. Stattdessen lässt man die Uhren für sich sprechen. Hören Sie also hin, was Ihnen die Uhren zu sagen haben, und widmen Sie ihnen etwas Zeit. Vielleicht ist dies dann der Anfang Ihrer Geschichte mit Blancpain. Denn wenn man sich erst einmal auf Blancpain-Uhren eingelassen hat, kann man sich nur schwer ihrem Zauber entziehen.


Über den Autor

Barbara Korp

Als ich entdeckte, dass Uhren viel mehr als nur Schmuckstücke sind, war es um mich geschehen. Ich habe mich in die Schönheit ihrer Technik verliebt. Gleich darauf folgte jedoch eine Enttäuschung: Die meisten Modelle waren viel zu groß für mich. Doch ich gab nicht auf – und entwickelte dadurch ein spezielles Interessenfeld.

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