Zum Hauptinhalt springen

Born, Raised & Made in USA – amerikanische Uhrenmarken

Von Theodossios Theodoridis
29. März 2021
6 Minuten
Born in the USA

Born, Raised & Made in USA – amerikanische Uhrenmarken

Die bekannteste und erfolgreichste Uhrenmarke der USA? Das dürfte aktuell Apple mit seiner Apple Watch und geschätzten 30 Millionen verkauften Uhren im Jahr 2020 sein. So manchem Freund mechanischer Uhren dürfte so eine Aussage nicht sonderlich gefallen. 

Zu Recht. Denn was das Thema Uhren aus den USA angeht, gibt es sehr viel mehr zu berichten und zu betrachten als die Smart Watch aus Cupertino. Dazu gehört unter anderem, dass die USA in ihrer Vergangenheit eine echte Uhren-Nation war und sogar die Produktionsweise der Schweizer Uhrenindustrie erheblich beeinflusst und verändert hat. Vieles davon scheint heute vergessen zu sein. 

Darum wollen wir in diesem Artikel einen Blick auf einige Klassiker, Innovationen und bemerkenswerte Uhrenmarken der amerikanischen Uhrenindustrie werfen. 

Die Anfangszeiten: Uhrenpionier Waltham (est. 1850) 

Beginnen wir mit einem Paukenschlag. Zumindest war es das für die Schweizer Uhrenindustrie, als sie auf der 1876 in Philadelphia stattfindenden Weltausstellung feststellen musste, dass das US-Unternehmen Waltham in der Lage war, (Taschen-)Uhren schneller, kostengünstiger und in großen Mengen zu produzieren, als sie selbst. Der Grund: Eine standardisierte, maschinelle Fertigung von Uhren bzw. deren Teile. Ein Konzept, das später Einzug in der gesamten Uhrenindustrie fand. 

Während man in der Schweiz vornehmlich auf Handarbeit setzte, produzierte die USA „wie am Fließband“. Maschinelle Serien- und Massenfertigung lautet hier das Stichwort. Und die ist vor allem in Kriegszeiten von großem Vorteil. Geschätzte 40 Millionen Uhren und andere Präzisionsgeräte soll Waltham während seines Bestehens in den USA produziert haben. Heute ist die Marke in Schweizer Hand. 

Paul Newmans Waltham Diver Bathyscaphe 

Wenn Sie auf der Suche nach einem besonderen Stück Zeitgeschichte in Form einer Waltham-Armbanduhr sind, dann sollten Sie Ausschau nach einem Modell halten, das schon Hollywood-Legende Paul Newman trug. Im Gegensatz zu der durch ihn berühmt gewordenen Rolex Daytona 6239 ist diese Uhr mit Preisen von aktuell 3.000 bis 5.000 EUR vergleichsweise erschwinglich. Sie entstand in Kooperation mit Blancpain in den 50er- und 60er-Jahren und trägt den Beinamen Bathyscaphe. 

Vintage Waltham Bathyscape Paul Newman
Vintage Waltham Bathyscape Paul Newman

Weitere interessante Armband-, Taschen- und Borduhren von Waltham finden Sie im Chrono24-Marktplatz

Die Eisenbahn-Zeiten: Balls Official Railroad Standard – Vorläufer des COSC

In Kipton, Ohio stießen im Jahr 1891 zwei Züge zusammen, weil die Uhr eines Schaffners für vier Minuten stehen geblieben war. Die Eisenbahngesellschaft übertrug daraufhin dem Uhrmacher Webb C. Ball die Aufgabe, den Vorfall zu analysieren und Abhilfe zu schaffen. Er setzte einen Standard und entsprechende Tests auf, die Uhren aller Eisenbahnangestellten bestehen mussten, um derartige Vorfälle in Zukunft zu vermeiden. Dazu gehörten unter anderem regelmäßige Prüfungen, eine festgelegte Genauigkeit und ein sehr gut ablesbares weißes Zifferblatt mit schwarzen Zeigern und arabischen Ziffern. 

Vintage Ball Railroad Watch
Vintage Ball Eisenbahnuhr

Die Prüfkriterien sollen so streng gewesen sein, dass sich die Schweizer Prüfstelle (COSC) hieran orientiert haben soll. 

Der Eisenbahngeschichte sind Ball-Uhren heute noch verbunden, allerdings befindet sich der Sitz des Unternehmens mittlerweile in der Schweiz. Eigentümer ist heute die Group Asia Commercial Holdings Ltd, die in Hongkong beheimatet ist. 

Die Militärzeiten: Field Watches – Uhren für die US-Armee 

Einen besonderen Stellenwert erhielten zuverlässige Uhren und deren Massenproduktion während Kriegszeiten. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie während des Vietnam-Kriegs war die amerikanische Uhrenindustrie besonders gefordert. Gleich mehrere US-Uhrenmarken produzierten einfache und verlässliche Uhren für den militärischen Einsatz. Neben Waltham sind hier unter anderem die Marken Elgin (est. 1863), Bulova (est. 1875), Hamilton (est. 1892) und Benrus (est. 1921) zu nennen. 

Interessant hierbei: Einige dieser Marken haben heute Neuauflagen dieser Uhren wieder im Portfolio. So setzt die seit 2008 zu Citizen gehörende Marke Bulova auf die Re-Edition der „Hack Watch“. Ihr besonderes Merkmal war ein Sekundenstopp (Hack), der es ermöglicht, die eigene Uhr exakt mit der seiner Kameraden zu synchronisieren. 

Vintage Bulova Hack Watch
Vintage Bulova Hack Watch

Bei Hamilton – heute Teil der Schweizer Swatch Group – ist die „Khaki“ fester Bestandteil des Portfolios. Sie erfreut sich großer Beliebtheit in der Uhren-Community. Nicht zuletzt wegen der erschwinglichen Preise von meist deutlich unter 1.000 EUR. 

Wenn Sie sich jedoch ein Vintage-Original zulegen möchte, werden Sie etwas mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Am besten halten Sie bei dieser – und allen anderen Field Watches – Ausschau nach einer Mil-Spec-Kennzeichnung (z.B. GG-W-113) auf dem Gehäuseboden. Sie bestätigt den Einsatz in der US-Armee. 

Vintage Hamilton Khaki Field
Vintage Hamilton Khaki Field

Steve McQueens Benrus aus dem Film Bullitt 

Der „King of Cool“, Steve McQueen, trug im Film „Bullitt“ aus dem Jahr 1968 ebenfalls eine Field Watch. Und zwar der Marke Benrus

Sollten Sie sich für diesen weniger bekannten Klassiker interessieren, dann suchen Sie nach einer Benrus mit der Referenz 3061. Steve McQueen trug sie in einer schwarzen Variante, die heute nicht leicht zu finden ist. Dafür ist die Uhr aber noch erstaunlich erschwinglich – zumindest im Vergleich zu einer Heuer Monaco 1133Rolex 5512 oder Hanhart 417, die Steve McQueen ebenfalls gerne trug. 

Vintage Benrus ref. 3061
Vintage Benrus ref. 3061

Bleiben wir beim Film und in den 1960er-Jahren, denn zwei der oben genannten Marken haben sich in dieser Zeit besonders hervorgetan. 

Die Hollywood-Zeiten 

Hamilton hat seit jeher eine enge Verbindung zum Film und Hollywood. Laut eigenen Angaben war Hamilton seit 1932 in insgesamt 450 Filmen mit seinen Uhren vertreten. Ein berühmter Hamilton-Träger: Elvis Presley. Er trug 1961 im Film „Blue Hawaii“ ein sehr auffälliges und exzentrisches Modell – die Hamilton Ventura Electric. Sie war die erste elektrisch angetriebene Uhr – erstmals vorgestellt 1957. 

Hamilton Ventura Electric
Hamilton Ventura Electric

Auch die „Men in Black“ setzen auf die Uhr mit dem, selbst heute noch, futuristischen Gehäusedesign. Als Vintage-Uhr, wie sie der „King“ trug, liegt die Ventura auf dem Chrono24-Marktplatz derzeit bei rund 3.000 EUR. Die neueren Modelle sind etwas erschwinglicher. 

Das Space-Zeitalter – die Stimmgabeluhr 

Eine weitere Uhren-Innovation „Born in the USA“ und heute ein gesuchtes Sammlerstück ist die Bulova Accutron Spaceview mit Stimmgabelwerk. 1960 erschien diese ebenfalls elektrische Uhr, die dank eines fehlenden Zifferblatts, direkten Einblick auf das Werk mit Spulen, Widerständen & Co. gewährte. Sie tickte nicht, sie summte – und war äußerst präzise. In Sachen Design passte sie ideal in das Space-Zeitalter der 60er-Jahre und begeistert Uhren-Fans noch heute. Preislich liegt sie derzeit im drei- bis vierstelligen Bereich. Im Jahr 2020 gab es zu Ehren der Spaceview eine limitierte Neuauflage – die Preise liegen aktuell bei rund 5.000 EUR. 

Timex – die „Yankee Dollar Uhr“, Mark Twain und Mickey Mouse 

Während viele der frühen amerikanischen Uhrenmarken heute nicht mehr existieren oder in ausländischer Hand sind, hat es ein bekannter und leicht unterschätzter Hersteller geschafft, eine echte US-Marke zu bleiben: die 1854 gegründete Waterbury Clock Company – heute bekannt als Timex. Damals wie heute steht Timex für erschwingliche Uhren. Schon Mark Twain soll eine sogenannte „Yankee Dollar Watch“ besessen haben, die 1880 in Zusammenarbeit mit dem damaligen Versandhandel Ingersoll für einen Dollar auf den Markt kam. Sie verkaufte sich millionenfach. 

Ein weiterer Uhren-Klassiker dieser Konstellation: die legendäre Mickey Mouse Uhr. Sie kam 1933 auf den Markt. Die Arme von Mickey zeigten die Zeit an. Laut Timex war sie binnen drei Jahren der „offizielle Zeitmesser von zwei Millionen Kindern“ – heute ist sie ein gesuchtes Sammlerstück für erwachsene Uhren-Enthusiasten. 

Timex Mickey Mouse watch, around 1970
Timex Mickey Mouse Uhr, ca. 1970

Wie es derzeit aussieht, muss man sich um das Fortbestehen von Timex keine Sorgen machen. Die US-Marke hat in den letzten Jahren Neuauflagen eigener Uhren wie der Timex Marlin und Q Timex auf den Markt gebracht, die in der Uhren-Community sehr gut ankamen. Nicht zuletzt wegen ihrer erschwinglichen Preise. Und in Anlehnung an die Anfänge hat Timex sogar eine Modellreihe namens „Waterbury“ im Programm. 

Soweit also zu einigen wichtigen Meilensteinen der amerikanischen Uhren-Historie. Natürlich können hier nicht alle Hersteller und Modelle genannt und ihre Geschichten erzählten werden. Es dürfte jedoch klar geworden sein, dass die USA in Sachen Uhren weitaus mehr zu bieten hat, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Es gibt hier viel zu entdecken. Dazu gehören auch Uhren-Newcomer wie Devon oder Shinola, die bereits in den Startlöchern stehen, um die amerikanische Uhrengeschichte weiterzuschreiben. Gleichzeitig und parallel zur Apple Watch. 

Mehr lesen

Über den Autor

Theodossios Theodoridis

Theodossios Theodoridis

Seit den 80er- und 90er-Jahren ist Theo von Uhren begeistert und besitzt bis heute ca. 40 Stück – darunter einige Vintage-Stücke, über die er schreibt.

Zum Autor

Aktuellste Artikel

Featured