Woran denken Sie zuerst, wenn Sie an Uhren aus Gold und Stahl denken?
Ich jedenfalls habe als erstes Patrick Bateman aus dem Film „American Psycho“ im Kopf – und seine, zumindest für einige Uhrenfans, legendäre Aussage: „Don’t touch the watch“. Passend zum Setting trägt der von Christian Bale verkörperte New Yorker Investmentbanker eine Two-Tone Datejust mit der Referenz 16013.
Bateman will unbedingt zur Elite der 80er-Jahre Wallstreet Society gehören. Der Film spielt mit den Klischees dieser sogenannten Yuppies mit ihrem Hang zur Extravaganz und dem totalen Materialismus. Was hat es also zu bedeuten, dass in den letzten drei Jahren immer mehr beliebte Uhrenmodelle eine neue oder überarbeitete Bicolor-Variante erhalten?
Die 80er Jahre – Kein Jahrzehnt des Understatements
Zunächst möchte ich offenlegen, dass mein nachfolgendes Wissen über die 80er-Jahre kein Wissen aus erster Hand ist. Es basiert vor allem auf Musik, Zeitschriften-Covers und Filmen – aber nicht nur Dirty Dancing und Miami Vice! Deshalb sehen Sie mir nach, wenn Ihre Erlebnisse von meinen Schlussfolgerungen abweichen oder ich dem ein oder anderen zu nahe trete.
Die ersten Uhrenmodelle aus einem Material-Mix von Stahl und Gold wurden von Rolex etwa 1930 auf den Markt gebracht. Jedoch waren es besonders die extravaganten 80er-Jahre, in denen wir Bicolor-Uhren an vielen Handgelenken sehen konnten, denn die 80er-Jahre waren nicht das Jahrzehnt der Zurückhaltung. Nach dem Disco Style der 70er waren die 80er zunächst vom Fitness-Boom und der Hip-Hop- und Pop-Kultur geprägt – ihnen haben wir die Velours-Trainingsanzüge zu verdanken. Doch neben Stilikonen wie RUN DMC oder LL Cool J waren auch der klassische Preppy-Look und damit Ralph Lauren Oxford Shirts, Bootsschuhe und V-Sweater äußerst beliebt. Mit Miami Vice waren später pastellfarbene Leinenanzüge in Kombination mit farbenfrohen T-Shirts der Hit! Falls Sie nun noch kein klares Bild der Mode und des „Vibes“ dieses Jahrzehntes vor Augen haben, dann lasse ich noch ein Stichwort fallen: Hawaii-Hemden.
Wenn man passend dazu (mitten in oder gegen Ende der Quarzkrise) nicht gerade seine bunte Swatch rockte, dann trug man besonders eines: Gold! Man musste schließlich auch Accessoire-technisch ein Ausrufezeichen setzen und zeigen, was man hat!
Was bedeutet die Bezeichnung „Bicolor“ oder „Two-Tone“ eigentlich?
Vintage, Patina oder Gilt Dial: Alle diese Begriffe sind, wie so viele in der Welt der Luxusuhren, nicht eindeutig definiert – oder zumindest ist deren Auslegung sehr weit dehnbar. Doch wie sieht es bei „Bicolor“ und „Two-Tone“ aus? Vielleicht lassen sich diese beiden Begriffe etwas näher eingrenzen, dennoch gibt es, meinem Kenntnisstand nach, keine einheitlichen Definitionen. Grundsätzlich spricht man von einer Two-Tone Uhr, wenn das Gehäuse aus zwei unterschiedlichen Materialien und Farben besteht. Oft setzt sich dieser Mix auch im Armband fort. Meist werden Gelbgold und Stahl „gemischt“ – wie beispielsweise bei Rolex (904L Edelstahl und 18k Gelbgold) bei diversen Modellen wie der Submariner, Datejust oder Daytona zu sehen. Denkbar sind jedoch auch weitere Kombinationen wie Edelstahl und 18k Sedna-Gold, wie es bei der Omega Seamaster 300 M der Fall ist. Gemeinsam haben alle Bicolor-Uhren, dass sie vom (oft warmen) Kontrast der Gehäusematerialien Stahl und Gold, respektive Metall und Edelmetall, leben.
Two-Tone: Wie viel muss man investieren?
Auch preislich sind Two-Tone Modelle oft ein Kompromiss zwischen Edelstahl und Edelmetall. Ob das für oder gegen Two-Tone Uhren spricht, darüber scheiden sich erneut die Geister. Streiten lässt sich natürlich auch darüber, ob der Anteil an Gold bei einer Two-Tone Uhr den Preisaufschlag rein mit dem Materialwert rechtfertigen kann. Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch auch, dass einige nicht unbedeutende Vintage-Modelle, wie beispielsweise die Audemars Piguet Royal Oak oder die eben genannte Rolex Daytona, in Two-Tone oft unter dem Preis der Edelstahlvariante gehandelt werden. Das liegt wahrscheinlich daran, dass in diesem Preissegment häufiger zu den Stahlvarianten gegriffen wird. Womöglich, um beim Wiederverkauf eine breitere Masse anzusprechen. Ein erneuter Beweis, dass die Uhrenwelt nicht immer vernünftig tickt. Dieses Phänomen gilt selbstverständlich nicht für alle Modelle. Bei der Rolex Datejust beispielsweise ist dieses „Phänomen“ weniger zu beobachten. Das führt uns zum nächsten Thema: Der Beliebtheit von Two-Tone Modellen.
Wie beliebt waren und sind Two-Tone Modelle
Als unbestritten gilt, dass Bicolor einer Uhr etwas mehr Eleganz verleiht, als es eine reine Edelstahl-Variante vermag. Man denke beispielsweise an eine Rolex Daytona oder Omega Seamaster in Edelstahl und Two-Tone. Der Auftritt ändert sich meiner Meinung nach vollkommen. Zu den berühmten Two-Tone Uhren zählt, wenn sie nicht sogar die berühmteste ist, die Rolex Datejust. Das kann natürlich jeder behaupten – schauen wir uns deshalb einige Zahlen an:
Im Jahr 2018 war die Rolex Datejust die meistverkaufte Two-Tone Uhr auf Chrono24 über alle Märkte hinweg. Für alle Liebhaber von Zahlen sei gesagt, dass die meisten Uhren mit dieser Material-Kombination in Deutschland verkauft wurden. Gefolgt von den Vereinigten Staaten und Großbritannien. Sicherlich nicht repräsentativ, aber nach diversen Urlauben in Italien hätte ich persönlich Italien mindestens auf Platz 3 erwartet. Doch zurück zu den Modellen: Auf Platz zwei liegt die Rolex Submariner in Bicolor, gefolgt von der Rolex Daytona. Die meistverkaufte „nicht Rolex Two-Tone Uhr“ ist die Breitling Chronomat.
Berühmte „Two-Tone-Träger“
Neben der angesprochenen Datejust 16013 von Christian Bale, a.k.a. Patrick Bateman, trägt auch Richard Gere in Pretty Woman eine Rolex Datejust. Auch wenn der Film im Jahr 1990 erschienen ist, so starteten die Dreharbeiten bereits im Juli 1989, womit auch diese Uhr ein Zeichen für die Beliebtheit von Bicolor in den 80ern ist.
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Eine Uhr, die es mir persönlich ebenfalls angetan hat, ist die Audemars Piguet Royal Oak Ref. 5402SA. Der berühmteste Träger der Two-Tone Royal Oak ist Prince Michael of Kent. Die extrem seltene Two-Tone Variante der Royal Oak Jumbo (denn sie ist die einzige Referenz in Bicolor und als Jumbo Modell) passt perfekt zu diesem britischen Gentleman und dessen Faible für feine Savile Row Anzüge. Natürlich hätte zu seinem Stil auch die klassische Royal Oak in Stahl gepasst, doch die Two-Tone Variante ist weniger zurückhaltend und provoziert auf eine sympathische Art und Weise mit einem Touch Lässigkeit, die gerade von einem Teil des Königshauses nicht unbedingt erwartet wird. Two-Tone ist eben etwas mutiger!
Aktuelle Modelle und der Two-Tone Trend
Kommen wir zu einem weiteren britischen Gentleman: David Beckham. Dieser hat sicher nicht nur dem ein oder anderen Tätowierer und Friseur mehr Umsatz beschert, sondern gilt für viele auch als Stilikone in Sachen Mode und Accessoires. Wenig verwunderlich, dass Tudor sich die Dienste von „Becks“ als Brand Ambassador gesichert hat. Die Black Bay Heritage S&G war eine der ersten Tudor Uhren, mit der David Beckham zu sehen war. Auch wenn einigen Vertretern der Haute Horlogerie Two-Tone ebenso sympathisch ist wie rote Samt Loafer, so lässt sich nicht von der Hand weisen, dass gerade in den letzten drei Jahren auffällig viele neue Two-Tone Varianten vorgestellt wurden.
Dazu gehören neben besagter Tudor Black Bay S&G (Baselworld 2017) auch die Rolex Oyster Perpetual Sea-Dweller 126603 (Baselworld 2019) oder die Omega Seamaster 300 M (Baselworld 2018). Selbstverständlich gibt es noch weitaus mehr Modelle in Bicolor, die es zu kennen lohnt. Weshalb die Kombination aus zwei Materialien gerade jetzt wieder im Trend zu sein scheint, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Doch es lassen sich einige Vermutungen aufstellen:
Vintage Vibe at its best
Der Trend hin zu Vintage-Uhren generell und Vintage-inspirierten Uhren scheint nicht abzureißen. Und Two-Tone Uhren vermitteln diesen Vintage-Vibe deutlicher und auffälliger als es Stahlmodelle vermögen. Ein Statement für Vintage-Fans!
Provokantes Statement
Eine Two-Tone Uhr provoziert und spielt mit dem Yuppie-Klischee. Oder übertragen in die heutige Zeit: Sie stellen eine Abgrenzung zum Minimalismus-Trend dar (wobei eine Rolex an sich diesem Trend bereits entgegenstehen dürfte). Nach dem Motto „Stahl kann jeder“ suchen viele Millennials nach dem Besonderen und zeigen gerne, dass man das Leben genießt.
Social Media
Auffallen ist auf Social Media ein Muss. Generell geht die Generation Instagram ungezwungener mit dem Zurschaustellen von Luxus um. Eben nur nicht offline wie Patrick Bateman, sondern online. Ob Supreme Koffer, Yeezy oder Balenciaga Sweater – auf Social Media teilt man gerne, für was man sein Geld ausgibt. Two-Tone Uhren passen da nicht schlecht in dieses Schema und werden zunehmend von Hip-Hop Artists und Sportlern gezeigt.
Mein persönliches Fazit
Für mich spielt der Vintage-Charme, den der Mix aus Edelstahl und Edelmetall mit sich bringt, die größte Rolle, weshalb ich Two-Tone Uhren grundsätzlich sehr offen gegenüberstehe. Ja, Bicolor ist „flashy“ und lässt sich im Alltag weniger häufig tragen als Stahlmodelle. Doch mir persönlich gefällt der warme Ton, den beispielsweise Gelbgold der Datejust verleiht. Zudem sind Bicolor-Uhren seltener anzutreffen, was sie für mich zum auffälligen Underdog und damit umso attraktiver macht. Der Blick auf ein Two-Tone Jubilee Armband im Sommer hat für mich tatsächlich einen Nostalgie-Faktor und erinnert mich an die Côte d’Azur, Leinenhemden, Wein und… lassen wir das! Wie bei vielen Dingen ist die Balance der Schlüssel. Da mein Stil und meine Uhrenkollektion ansonsten relativ schlicht sind, sind Two-Tone Uhren eine willkommene Abwechslung. Ich habe mein Auge tatsächlich bereits auf eine Two-Tone Daytona Referenz 16523 geworfen, die für eine Daytona noch relativ günstig zu erwerben ist – mal sehen wie lange noch.