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Drei technische Highlights der Watches & Wonders 2025

Von Tim Breining
15. April 2025
5 Minuten
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Drei technische Highlights der Watches & Wonders 2025

Den meisten „Buzz“ vor und während der Watches & Wonders 2025 generierte zweifelsohne die Rolex Land-Dweller. Bei all der Aufregung um die Äußerlichkeiten dieser Uhr wird gerne vergessen, worin eigentlich die Innovationen dieses Modells zu finden sind: Im komplett neuen Uhrwerk, mit dem Rolex den üblichen Ansatz von Evolution statt Revolution über Bord wirft.

Dass die mediale Diskussion sich – sowohl bei Rolex als auch jedweder anderen Marke – primär an dem orientiert, was sich dem Kunden leicht erschließt, ist verständlich. Andererseits ist bedauernswert, dass die erheblichen Aufwände für technische Neuerungen in keinem Verhältnis zu ihrer Rezeption stehen.
Um den Uhrmachern und Ingenieuren den nötigen Respekt zu zollen, möchten wir einige der beeindruckendsten technischen Neuheiten der W&W 2025 ins Rampenlicht stellen und Ihnen zeigen, wieso sie Ihre Aufmerksamkeit ebenso verdienen, wie etwa Gehäuseform, Zifferblattmaterial und verbaute Edelmetalle.

Das neue Kaliber 7135 der Rolex Land-Dweller

Bilder: Rolex 

Das Erfolgsrezept von Rolex ist nur in Teilen objektiv erklärbar, doch ein Ansatz, den Sie immer wieder hören werden, ist der der Konsistenz. Veränderungen bei Rolex geschehen langsam und evolutionär, Verlässlichkeit, Qualität und auch Erkennbarkeit tragen zur ungebrochenen Popularität der Marke, aber auch dem Werterhalt bei – zumindest galt dies lange als Prämisse der Genfer Brand.

Mit dem Uhrwerk der Land-Dweller wagt man einen revolutionären Sprung, einen Eingriff am Herzen der Uhr, nämlich der Hemmung und deren Konzeption. Um der Signifikanz dieser Entscheidung Rechnung zu tragen, wollen wir uns vor allem dieser Innovation widmen, deren Einfluss auf die Branche und technische Entwicklungstrends man nicht unterschätzen sollte.

Schauen wir einige Jahre in die Vergangenheit: Man investierte bei Rolex zwar frühzeitig in Siliziumtechnologien und die Chancen der Mikrosystemtechnik, doch baute man Uhrwerke und insbesondere die Hemmung nach dem altbekannten Prinzip der Schweizer Ankerhemmung. Mit der neuen Kalibergeneration 3200 der 2010er-Jahre, die die vorherige Generation 3100 ablöste, änderte sich dies nicht, aber man optimierte Geometrien und Effizienz mit den Möglichkeiten moderner Fertigungstechnologien.

Futuristisch anmutende, ausgefallene Hemmungskonzepte überließ man bisher der Konkurrenz, und es deutete wenig darauf hin, dass man von der bewährten Formel abweichen würde. Eingereichte Patente, der Leak der Land-Dweller und schließlich die Präsentation überzeugten uns jedoch vom Gegenteil. Das Kaliber 7135 kann zurecht als Evolution bei Rolex gelten. Doch was bietet dieses Werk und seine „Dynapulse“-Hemmung, wie Rolex sie getauft hat?

Bei der Optimierung der Schweizer Ankerhemmung, wie sie in jeder herkömmlichen mechanischen Uhr zu finden ist, ist der offensichtliche Ansatz stets die Minimierung von Reibung. Seit Jahrhunderten sind Hemmungskonzepte in Theorie und Praxis bekannt, die theoretisch nahezu reibungsfrei arbeiten. Anders als die Schweizer Ankerhemmung, welche konstruktionsbedingt zu einem gewissen Grad reibungsbehaftet ist. Leider vermochte es keines dieser Konzepte, trotz vermeintlicher Vorteile, der Schweizer Ankerhemmung den Rang abzulaufen. Die Gründe sind vielfältig, aber oft bedingt durch fertigungstechnische Toleranzen, Zuverlässigkeit, Empfindlichkeit gegen Stöße, Selbstanlaufen nach Stillstand und einige mehr.

Mit Dynapulse greift Rolex ein Hemmungskonzept auf, das auf den ersten Blick an Breguets „Echappement Naturel“ erinnert (über das sie sich unter anderen in diesem Artikel informieren können). Tatsächlich unterscheidet es sich von diesem vor allem dadurch, dass der Impuls an die Unruhe nicht direkt von den beiden Hemmungsrädern, sondern von einer Art Anker indirekt übertragen wird. Eines der Hemmungsräder wird vom Laufwerk angetrieben, das zweite durch den Eingriff mit dem ersten Hemmungsrad.

Das von Rolex eingereichte Patent EP4492153A1 zeigt eine Hemmungspartie, die das Prinzip der Dynapulse-Hemmung aufweist, aber nicht identisch mit der nun umgesetzten Variante ist, Quelle: Patent EP4492153A1
Das von Rolex eingereichte Patent EP4492153A1 zeigt eine Hemmungspartie, die das Prinzip der Dynapulse-Hemmung aufweist, aber nicht identisch mit der nun umgesetzten Variante ist, Quelle: Patent EP4492153A1

Dabei weisen die Hemmungsräder eine äußerst komplexe Geometrie auf, die in derselben Ebene sowohl die Verzahnung der beiden Hemmungsräder, als auch Ruhe und Hebung (also temporäres Blockieren des Werks und Übertragen des Impulses bei jeder Halbschwingung) realisieren. Ein entscheidender Aspekt der Effizienz beziehungsweise Reibungsarmut von Dynapulse ist, dass reibungsbehaftete Vorgänge zwischen Anker und Hemmungsrädern aufgrund der exakt berechneten Geometrien rollend vonstatten gehen. Diese Rollreibung ist wesentlich geringer als Gleitreibung, wie sie in der Schweizer Ankerhemmung auftritt, und so lässt sich, trotz der hohen Frequenz von 5 Hertz, Energie sparen.

Ein weiterer Effizienz-Baustein ist die geringe Trägheit der Siliziumkomponenten, was ihrem kompakten Durchmesser, aber auch dem Material an sich geschuldet ist, sowie eine hochfein polierte, keramische Unruhwelle. Somit liegt Rolex mit 66 Stunden Gangreserve nur vier Stunden hinter dem „klassischen“ Kaliber einer Submariner, das jedoch mit sparsameren 4 Hertz tickt.

Möglich wird die derart präzise Ausführung der Komponenten durch das DRIE-Verfahren, das reaktive Ionentiefenätzen, mit dem nicht nur Hemmungsräder und Anker der Dynapulse-Hemmung, sondern auch die Syloxi-Spirale im Kaliber 7135 gefertigt werden.

Ob es einem gefällt oder nicht: Mit der Massenfertigung einer derartig innovativen, von Siliziumkomponenten gespickten Hemmung bei Rolex darf man davon ausgehen, dass Silizium weiter an Verbreitung gewinnt, die Uhrmacherei stärker technisiert wird und sich immer mehr von konventionellen, ganz zu schweigen von handwerklichen Fertigungsverfahren, abwendet.

Zugegeben, es gab schon mehrere Hemmungskonzepte, die teilweise noch komplexer, hochfrequenter und radikaler daherkamen. Stellvertretend seien hier Ulysse Nardin genannt, Girard Perregaux, Zenith oder auch Frédérique Constant. Doch hierbei handelte es sich meist um limitierte oder nur temporär erhältliche Modelle in geringer Stückzahl, während bei der Land-Dweller als Rolex-Modell von immensen Stückzahlen auszugehen ist.

 

Das Kaliber A&S5219 der Arnold & Son Constant Force Tourbillon 11

Kaliber A&S5219 von Arnold & Son

Arnold & Son ist das High-End Flaggschiff im Portfolio der Citizen Group, zu der auch Marken wie Frédérique Constant oder der Uhrwerkshersteller La Joux-Perret gehören. Entsprechend der Marktpositionierung stellte man die im sechsstelligen Preissegment angesiedelte Constant Force Tourbillon 11 vor. Die Rückseite des Werks ist inspiriert durch eine historische, posthume Kooperation von John Arnold und Abraham-Louis Breguet, wobei Breguet nach Arnolds Tod sein Tourbillon in ein Chronometer von Arnold verbaute und die Uhr Arnolds Sohn widmete.

Die moderne Neuinterpretation ist entsprechend Breguet und Arnold gewidmet, und arbeitet mit einem patentierten Konstantkraft-Mechanismus von Arnold & Son, der dem Uhrwerk ganz nebenbei eine springende Sekunde beschert. Das Patent geht auf La Joux-Perret und das Jahr 2015 zurück, als der Mechanismus bereits in damaligen Modellen verbaut wurde.

Somit feiert die Konstruktion hier nicht ihre Premiere, aber bietet, flankiert von einem Grand Feu Emaillezifferblatt, einem Doppelfederhaus mit 100 Stunden Gangreserve, der historisch anmutenden Werksarchitektur und natürlich dem Tourbillon ein beeindruckendes Gesamtpaket. Das Tourbillon wird, wie beim historischen Vorbild, dezent auf der Rückseite präsentiert, während der Konstantkraft-Mechanismus auf der Vorderseite dem kundigen Blick seine Funktionsweise offenbart.

Der patentierte Konstantkraft-Mechanismus von La Joux-Perret für Arnold & Son, Quelle: Patent CH709068A2
Der patentierte Konstantkraft-Mechanismus von La Joux-Perret für Arnold & Son, Quelle: Patent CH709068A2

Grand Seikos Kaliber 9RB2 in der SLGB003

Mit der neuen Spring Drive-Kalibergeneration hat Grand Seiko die Werke gestalterisch, aber auch konstruktiv weiter von den mechanischen Werken der Marke abgegrenzt. Dass Spring Drive-Werke aufgrund der Regulierung durch einen Quarzoszillator äußerst genau gehen, hat sich damit nicht geändert, vielmehr wurde die Genauigkeit der „gewöhnlichen“ Spring Drive-Werke auf +- 10 Sekunden pro Monat mit dem Dreizeigerwerk 9RA5 gesteigert. Mit dem 9RB2 U.F.A. (Ultra Fine Accuracy) kitzelt Grand Seiko aus einer kompakteren Werksvariante +-20 Sekunden pro Jahr heraus! Dafür muss das Werk gegenüber dem 9RA5 ohne Doppelfederhaus und mit einer geringeren Gangreserve – 72 statt 120 Stunden – auskommen. Die gesteigerte Genauigkeit führt Grand Seiko auf Optimierungen in der Fertigung des Quarzoszillators und des integrierten Schaltkreises zurück. Erstmals in einem Spring Drive Werk lässt sich im 9RB2 die Ganggenauigkeit über einen Regulierungsmechanismus, wie man ihn von mechanischen Werken kennt, im Handumdrehen von einem Uhrmacher justieren. Ob dies angesichts der proklamierten Genauigkeit vonnöten sein wird, sei dahingestellt.

Grand Seiko SLGB003 mit besonders genauem Spring-Drive Werk 9RB2

Äußerlich deutet nur der subtile UFA-Schriftzug auf dem Zifferblatt sowie die Gravur auf dem Automatikrotor an, dass man es hier mit einer technologisch außergewöhnlichen Uhr zu tun hat. Ganz im Sinne der zurückhaltenden Markenphilosophie und nebenbei ein hervorragendes Beispiel dafür, dass sich der Blick hinter das Zifferblatt lohnt!

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Über den Autor

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Etwa 2014, während meines Ingenieurstudiums, begann ich mich für Uhren zu interessieren. Mit der Zeit wurde aus der anfänglichen Neugier eine Leidenschaft. Da …

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