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Ein Besuch in der Uhrenmanufaktur Hublot

Von Chrono24
15. April 2024
6 Minuten
Hublot-2-1

Ein Besuch in der Uhrenmanufaktur Hublot

Von Sarah Elipot

In der von Traditionsherstellern mit über hundertjähriger Geschichte geprägten Schweizer Uhrenlandschaft ist die 1980 gegründete Marke Hublot noch relativ jung. Das hat Hublot jedoch nicht daran gehindert, sich zu einem erstklassigen Uhrenfabrikanten zu entwickeln – seit 2010 produziert Hublot sogar ein eigenes Chronographenwerk namens UNICO. Hublot pflegt das Image eines innovativen Unternehmens und bezeichnet sich selbst als „Meister der Fusion“ und Pionier in der Materialforschung. Aber wie sieht es bei Hublot hinter den Kulissen aus? Wir nehmen Sie in diesem Artikel mit zu unserer Werksbesichtigung in Nyon!

Gare au gorille. Photo : Michael Winkelmann
Achtung, Gorilla! (Foto: Michael Winkelmann)

Es ist ein frischer Dezembermorgen, als ich habe ich mich im Gewerbegebiet von Nyon eingefunden habe. Hier befinden sich der Hauptsitz und die Produktionsanlagen von Hublot, die ich an diesem Tag besuchen werde. Als ich die Lobby des Hauptgebäudes betrete, werde ich von einem großen, blauen Gorilla des Künstlers Richard Orlinski begrüßt. Es ist, als würde der Gorilla den Besuchern sagen: „Wir bei Hublot mögen das Moderne, Kantige und bahnbrechend Neue.“ Nicht weit von der Skulptur entfernt steht Jean-Pierre, der an seinem Handgelenk eine der sportlichen Uhren von Hublot trägt. Jean-Pierre ist der ehemalige Produktionsleiter von Hublot und wird mich an diesem Vormittag begleiten.

Als Erstes besichtigen wir das Gebäude, in dem die Teilefertigung und die Maschinenwerkstätten von Hublot untergebracht sind. Mit der Eröffnung dieses Gebäudes im Jahr 2015 verdoppelte Hublot seine Produktionsfläche. Fast alle Uhrenteile von Hublot werden hier in Nyon hergestellt. In der obersten Etage brummen die Maschinen und die Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun. Hier kommt das Rohmaterial – Messing, Stahl, Titan, Gold – in Form von langen Stangen an, die dann von etwa 30 Maschinen zu einem Zahnrad hier, einer Federhausbrücke dort umgeformt werden. Am anderen Ende der Werkstatt arbeitet eine komplizierte Maschine unermüdlich vor sich hin. Im Gegensatz zu den anderen ist ihr Betriebsmittel kein Schneidöl, sondern eine eigenartige grüne Flüssigkeit. Das Fertigungsverfahren, mit dem wir es hier zu tun haben, nennt sich Funkenerodieren (oder kurz „EDM“ von engl. electrical discharge machining). Dabei wird durch eine schnelle Abfolge elektrischer Entladungen Material von einem Werkstück abgetragen, sodass aus dünnen Kupferplatten filigrane Uhrenteile entstehen. „Wie Sie sich vorstellen können, ist es gar nicht so einfach, sämtliche Teile in einem Gehäuse unterzubringen. Es ist ein bisschen wie ein Tetris-Spiel, und manchmal muss man die Größe der Teile reduzieren“, erklärt Jean-Pierre.

L'atelier d'usinage. Photo : Michael Winkelmann
Einblick in die Maschinenwerkstatt (Foto: Michael Winkelmann)

Eine Etage tiefer werden die Uhrenteile poliert, gebürstet, sandgestrahlt, beschichtet, gefasst, graviert und/oder perlgestrahlt. In dieser Werkstatt sind auch die acht Auszubildenden anzutreffen, die Hublot jedes Jahr einstellt. Sie fragen sich jetzt vielleicht, ob es sich bei diesen Lehrlingen hauptsächlich um junge Männer handelt, aber tatsächlich ist das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Azubis ziemlich ausgeglichen. Jean-Pierre erklärt: „Die Uhrmacherei ist ein Handwerk, das viel Feinarbeit erfordert und sowohl Frauen als auch Männer anzieht.“ (Könnte die Uhrmacherei denn eine Branche sein, in der Mann und Frau gleichgestellt sind? Damit sollten wir uns an anderer Stelle näher befassen.) In der Werkstatt ist Xavier gerade dabei, Diamanten in dreierlei Farben in eine Lünette einzufassen. Um welches Uhrenmodell es sich dabei handelt, kann ich anhand des Fassungsschemas nicht genau erkennen. Xaviers Handbewegungen sind sicher und präzise. Er braucht 25 Minuten, um die Lünette komplett mit Diamanten zu besetzen.

Sertissage d'une lunette. Photo :  Sarah Elipot
Eine Lünette wird mit Diamanten besetzt. (Foto: Sarah Elipot)

Die Fertigungstiefe bei Hublot ist, gelinde gesagt, beeindruckend. Am Standort Nyon arbeiten fast 600 Menschen in 38 verschiedenen Berufen, und für jeden Arbeitsschritt hat der Uhrenhersteller eine eigene Maschine im Haus. „Dies gewährt uns ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Freiheit. Wir haben zum Beispiel eine eigene Schraubendrehmaschine angeschafft, damit wir, wenn wir für einen neuen Gehäusetyp eine neue Schraube benötigen, diese direkt selbst herstellen und testen können. Wir könnten natürlich auch einen örtlichen Fachbetrieb beauftragen, aber dort können die Lieferzeiten zwischen zehn und zwölf Monaten betragen.“ Und der Markt wartet bekanntlich nicht.

Um zum historischen Firmengebäude zurückzugelangen, überqueren wir eine Fußgängerbrücke. Sie überspannt die Gleise des kleinen roten Pendelzuges, der die Hublot-Mitarbeiter vom Bahnhof Nyon zum Firmengelände bringt. Vor uns liegt der Genfersee, hinter uns das Juragebirge – die Schweizer Industriegebiete haben schon etwas Besonderes an sich. Die nächste Etappe auf unserem Rundgang ist das Labor für Metallurgie und Materialien, das eng mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Unternehmens zusammenarbeitet. Hier entstehen die ultraharten Keramiken mit den auffälligen Farben, die das Markenzeichen von Hublot sind. Die Ingenieure des Labors – von denen einige, wie ich erfahre, von der renommierten Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne kommen – scheuen weder Kosten noch Mühen. Für die leuchtend rote Keramik von Hublot musste beispielsweise ein neuer Brennofen gebaut werden, in dem die Pigmente während des Brennvorgangs erhalten bleiben, sodass sich das Karminrot nicht in ein Burgunderrot verwandelt. Das als kratzfest geltende 18-karätige „Magic Gold“ ist eines der Parade-Materialien von Hublot und die Frucht einer ungewöhnlichen Verbindung: „eine Legierung aus Gold und Keramik“. Ich frage mich, ob sich Keramik und Gold denn einfach so miteinander verschmelzen lassen und quasi wie Öl und Essig emulgieren … Die kurze Antwort lautet: nein. Tatsächlich müssen zunächst in einem Brennvorgang die (runden) Keramikpartikel verfestigt und in ihrer Form fixiert werden. Mit geschmolzenem Gold werden anschließend die Lücken aufgefüllt. Man müsste auf die 200-fache Größe zoomen, um die Struktur des Materials zu erkennen. Natürlich geschehen all diese technischen Innovationen nicht über Nacht – es kann bis zu zwei Jahre dauern, ein neues Material zu entwickeln.

Um die Montagewerkstatt betreten zu dürfen, muss ich mir einen weißen Kittel überziehen. Die Uhrmacher tragen Latex-Fingerlinge und arbeiten an sterilen Sicherheitswerkbänken. Ein einziges Staubkörnchen genügt, um die Ganggenauigkeit eines Uhrwerks zu beeinträchtigen. Hublot stellt in dieser Hinsicht sehr hohe Anforderungen: Pro Tag darf die Ganggenauigkeit eines Uhrwerk nur 10 Sekunden abweichen. Uhrwerke, die diese Toleranz nicht einhalten, werden bei der Qualitätskontrolle aussortiert. Das Winterlicht durchflutet den Raum, während die Uhrmacher mit äußerster Konzentration ihrer Arbeit nachgehen. In klösterlicher Stille werden Teile zusammengebaut, Rubine geölt und Zeiger auf Zifferblättern montiert.

Une horlogère à l'assemblage. Photo : Michael Winkelmann
Uhrmacher bei der Montage einer Uhr (Foto: Michael Winkelmann)

Zum Abschluss zeigt uns Jean-Pierre noch ein paar Beispiele für komplizierte Uhrwerke. Wir wissen ja, dass Hublot eine Vorliebe für Konzeptuhren hat. Und hier stehe ich nun mit einem Ferrari-Tourbillon-Uhrwerk direkt vor meinen Augen. Dieses Uhrwerk verfügt über die längste Gangreserve, die je erreicht wurde: 50 Tage. Das Design des Ferrari Tourbillon ist eindeutig von einem Automotor inspiriert. In Anspielung auf die Boxenstopps der Formel 1 wird die Uhr mit einem kleinen Schlagschrauber aufgezogen, ähnlich denen, die die Mechaniker verwenden, um bei den Rennwagen die Reifen zu wechseln.

Als Jean-Pierre eine letzte, besonders experimentelle Komplikation beschreibt – einen Mechanismus, der von einem antiken Gerät zur Berechnung der Position der Sterne inspiriert ist – läuft mir ein Schauder den Rücken hinunter. Natürlich fällt mir der Name des Geräts nicht sofort ein, deshalb frage ich naiv: „Wie in Indiana Jones?“ „Ja“, bestätigt Jean-Pierre, „es ist ein Antikythera-Mechanismus“.

L'Anticythère d'Hublot. Image de synthèse : Hublot
Die Antikythera von Hublot (Foto: Hublot)

Es ist wirklich ein ganz besonderes Stück! Um zu verstehen, was ich meine, müssen Sie den Film Indiana Jones und das Rad des Schicksals gesehen haben. Hublot hat drei Nachbauten des Antikythera-Mechanismus angefertigt, der bei diesem Film im Mittelpunkt steht. Alle Daten, die dieser liefert, werden von einem mechanischen Uhrwerk generiert. Zugegeben, ein Großteil der Informationen, die der Antikythera bereitstellt, z. B. den ägyptischen Kalender, den Kalender der Panhellenischen Spiele und den Kallippischen Zyklus, ist heute nicht mehr relevant. Beeindruckend ist das Ganze dennoch. Eine der drei modernen Versionen des Antikythera ist hier in Nyon in der Hublot-Werkstatt zu sehen. Sie ist weniger rostig und sperrig als die angeblich von Archimedes erdachte Maschine und wird – wie könnte es anders sein – an einem Kautschukarmband getragen. Nach einer kurzen Gedankenreise ins antike Syrakus stehe ich wieder mit beiden Beinen in der Uhrenmanufaktur in Nyon und merke: Für Hublot ist keine technische Herausforderung zu groß!

Ich danke Jean-Pierre für die interessanten Erläuterungen und Anekdoten sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Hublot, die so freundlich waren, uns ihre Arbeit zu zeigen.

Mit freundlicher Genehmigung von Hublot

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