24.06.2022
 3 Minuten

Hat diese Seiko das Zeug zum König?

Von Troy Barmore

Seiko ist ein Unternehmen, das in der Uhrenwelt seinesgleichen sucht. In den 141 Jahren seiner nahezu ununterbrochenen Tätigkeit (wenn auch in verschiedenen Formen) hat kein anderer Uhrenhersteller so viele unterschiedliche Positionen auf dem Markt eingenommen oder gar die globale Uhrenindustrie auf so grundlegende Weise verändert. Ein entscheidendes Wesensmerkmal trieb Seiko als Unternehmen im Laufe seiner reichen Geschichte stets voran: das ständige und unermüdliche Streben, etwas zu erschaffen, das alles Bisherige in den Schatten stellt. Etwas, das entweder durch technische Brillanz oder in seiner Schönheit alles andere übertrifft.  

Dieser Ehrgeiz brachte Seiko dazu, das Quarzwerk zu entwickeln – jene teuflisch raffinierte Technologie, die die Schweizer Uhrenindustrie an den Rand des Abgrunds führte, Armbanduhren für die breite Masse erschwinglich machte und die Ganggenauigkeit revolutionierte. Dieser Ehrgeiz war es auch, der Seiko 1960 zur Kreation der Grand Seiko veranlasste, getrieben von dem Wunsch, die allseits bewunderte Verarbeitungsqualität der Schweizer Uhren zu übertreffen. Doch während Grand Seiko allgemeine Bekanntheit erlangte und 2017 sogar zu einer eigenständigen Marke wurde, hatten die meisten Uhrenliebhaber von der King Seiko bis in jüngster Vergangenheit nie etwas gehört. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass auch die 2021 wieder aufgelegte King Seiko bei ihrer Erstveröffentlichung Anfang der 1960er-Jahre mit ihrer hochwertigen Verarbeitung und Qualität den Zweck hatte, Seikos Stellung auf dem Markt zu verbessern. 

Die „King Seiko“-Kollektion: ein unbekanntes Kapitel von Seikos Markengeschichte.

Gesunder Wettbewerb

Ein weniger bekannter Aspekt der Geschichte von Seiko ist, dass Seiko ab 1959 und für einen Großteil des verbleibenden Jahrhunderts zwei verschiedene Produktionsstätten unterhielt: Daini Seikosha und Suwa Seikosha. Daini Seikosha wurde 1937 gegründet, um sich komplett der Herstellung von Uhren zu widmen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts übernahmen Daini und Suwa teilweise unterschiedliche Bereiche der Fertigung, produzierten aber teilweise auch in direkter Konkurrenz zueinander, um einen gesunden Wettbewerb zu fördern.  

Die erste Grand Seiko, die 1960 auf den Markt kam, stammte aus der Suwa-Fabrik, während die King Seiko im darauffolgenden Jahr, 1961, aus der Daini-Fabrik hervorging. Über die näheren Umstände des Wettbewerbs zwischen den beiden Fabriken wurde viel diskutiert. Manche behaupten, dass sich Daini und Suwa Seikosha einen erbitterten Konkurrenzkampf lieferten, bei dem es darum ging, das eigene Überleben zu sichern. Die Wahrheit ist wahrscheinlich weit weniger aufsehenerregend. Höchstwahrscheinlich fand sogar eine gewisse Zusammenarbeit statt, da beide Fabriken Bauteile für dieselbe Uhrenserie herstellten. 

Zwei verschiedene Fabriklogos sind über der Sechs zu sehen: das Daini-Logo bei der King Seiko und das Suwa-Logo bei der Grand Seiko.

Während die Grand Seiko den Gipfel dessen darstellen sollte, was Seiko in Bezug auf Verarbeitung und Veredelung zu leisten imstande war, verfolgte man mit der King Seiko ein ähnliches Ziel: das Qualitäts- und Verarbeitungsniveau zu erhöhen, das die Kunden von Seiko erwarten konnten. Wenngleich die King Seiko auf einen etwas anderen Kundenkreis abzuzielen schien, war sie nicht weniger von dem Bestreben inspiriert, eine Serie bildschöner, innovativer Zeitmesser mit unverwechselbaren Gehäusedesigns zu schaffen. Tatsächlich finden sich viele der in diesen frühen Jahren des Wettbewerbs entwickelten Gehäuseformen heute in der Designsprache der Grand-Seiko-Uhren wieder.  

King Seiko heute

Trotz der Wiedergeburt und des kometenhaften Aufstiegs von Grand Seiko in den letzten Jahren blieb King Seiko in die Annalen der Seiko-Geschichte verbannt. Das heißt, bis 2021, dem Jahr des 140. Gründungsjubiläums der K. Hattori & Co., welche im Jahr 1924 zur Gründung der Marke Seiko führte. Zur Feier dieses besonderen Anlasses kündigte Seiko zur großen Überraschung der Uhrenwelt an, dass die King Seiko mit der limitierten Auflage SJE083, einer nahezu identischen Neuauflage der King Seiko KSK von 1965, zurückkehren würde.  

Mit ihrer rundum sorgfältigen Verarbeitung ist die SJE083 ein äußerst eleganter Zeitmesser mit wunderschön polierten, abgeschrägten Kanten, kräftigen Bandanstößen und einem klassisch proportionierten Gehäuse. Die würdevolle Aufgabe, eine Kollektion wieder aufleben zu lassen, die den Verlauf der Geschichte Seikos nachhaltig beeinflusste, erfüllt sie mit Bravour. Wie schon vor fast 60 Jahren vermag die King Seiko das Angebot des Uhrenherstellers aufzuwerten, um eine immer anspruchsvollere Kundschaft zu bedienen. Sollte das erfolgreiche Comeback von Grand Seiko in irgendeiner Weise ein Hinweis auf die Zukunft der King Seiko sein, dann können wir uns auf großartige weitere Modelle freuen. 


Über den Autor

Troy Barmore

Schon in jungen Jahren war ich ein Uhrenliebhaber. Es begann damit, dass ich einen ganzen Sommer lang nur dafür jobben ging, meinem großen Bruder seinen Chronographen aus dem Hause Girard-Perregaux abzukaufen. Seitdem hat sich mein Geschmack stetig weiterentwickelt und erstreckt sich nun auch auf Vintage-Toolwatches und moderne unabhängige Hersteller.

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