02.01.2017
 4 Minuten

Leuchtmasse & Leuchtziffern

Von Christopher Beccan
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Rolex Submariner, Bild © Bert Buijsrogge

Wir halten es oft für selbstverständlich, dass unsere Sportuhren Leuchtziffern haben, die es uns ermöglichen, auch im Dunkeln oder einer nahezu dunklen Umgebung die Zeit immer akkurat abzulesen. Das war aber nicht immer so. Es war nicht leicht und kostete sogar Menschenleben, um an diesen Punkt zu gelangen. So wie sich die Technologie in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt hat, so hat sich auch die Lesbarkeit der Leuchtziffern unserer Armbanduhren deutlich verbessert. Im Laufe der Zeit haben Uhrmacher verschiedene Materialien und Chemikalien verwendet. Die ersten Lösungen hatten sie bereits im frühen 20. Jahrhundert.

Die Anfänge

Es gab frühe Verfahrensweisen, um Leuchtmasse für Armbanduhren zu nutzen. Sie basierten auf einer Mischung aus radioaktivem Radium und Zinksulfat. Nichtsdestotrotz war seit dem späten 19. Jahrhundert bekannt, dass Radium in der richtigen Dosis eingesetzt, von selbst blau leuchtet. Allerdings erreichte es so nicht die gewünschte Leuchtkraft – hier einfach mehr Masse zu nehmen, wäre freilich zu gefährlich gewesen. Schließlich führte die Verbindung der beiden Materialien nicht nur zu einer Reduktion der radioaktiven Strahlung, sondern auch zu einem hellere Leuchten. Die radioaktiven Eigenschaften von Radium brachte das Phosphor im Zinksulfat zum Reagieren und so zum Leuchten. Die geringe Menge des Radiums war für den Uhrenträger unbedenklich. Zinksulfat mit anderen Zutaten zu mischen ermöglichte auch Variationen in der Farbgebung der Leuchtmasse.

Vintage Panerai Radiomir
Vintage Panerai Radiomir, Bild © Bert Buijsrogge

Tragische Ereignisse

Obwohl die Menge des eingesetzten Radiums auf Zifferblättern und Zeigern für den Träger nicht gesundheitsschädlich war, hatte es doch negative Auswirkungen auf die Uhrmacher, die das Material aufbrachten. Dazu müssen Sie verstehen, dass zu dieser Zeit der Prozess zumeist von Arbeiterinnen übernommen wurde, die die Pinselspitzen mit ihren Zungen anfeuchteten, um so die filigranen Punkte auf Uhrenzeigern und Indizes aufbringen zu können. Sie schluckten so nach und nach geringe Mengen Radium und handelten sich dadurch verschiedene Erkrankungen ein. Unglücklicherweise kamen einige von ihnen auf diese Art zu Tode, denn man ließ sie leichtsinnig in dem Glauben, die Arbeit mit dem Material sei unbedenklich. 1927 wurde eine Schadensersatzklage zum Schutze dieser Frauen bei Gericht anhängig, aber die meisten waren bereits zu krank, um an dem Verfahren teilzunehmen. Dennoch urteilte das Gericht zu ihren Gunsten und sie wurden tragischer Weise als die „Radium Girls” bekannt.

Von Radium zu Tritium

Rolex Submariner
Rolex Submariner, Bild © Bert Buijsrogge

Über die Jahre wurde die Schädlichkeit des Materials deutlich und der Einsatz in der Uhrmacherei deutlich reduziert. In den 1960ern enthielt die Leuchtmasse von Armbanduhren schließlich nur noch 1 Hundertstel der Menge an Radium wie noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Jahre 1968 wurde der Einsatz von Radium in Armbanduhren verboten. Dieser Schritt machte den Gebrauch alternativer Leuchtmasse-Mischungen erforderlich. Von nun an griffen die Leuchtmasse-Hersteller zu Tritium und mischten es mit Zinksulfat. Allerdings gab es einen entscheidenden Unterschied in der Lebensdauer von Tritium im Vergleich zu Radium.

Tritium hat eine Halbwertzeit von 12 Jahren – im Gegensatz zu 1600 Jahren bei Radium. Durch das alternde Tritium haben viele Uhren aus den 1960ern, wie zum Beispiel Rolex Sportuhren, eine angenehme Patina in einem gelblichen Farbton entwickelt. Zwar ist Tritium unschädlicher als Radium, dennoch gab es Gesundheitsbedenken, weshalb eine Kennzeichnungspflicht eingeführt wurde. Zifferblätter, auf denen Tritium verwendet wurde, mussten zum Beispiel mit einem „T” gekennzeichnet werden. T-SWISS-T or SWISS-T <25.

In den 1990er-Jahren wurde der Gebrauch von Tritium bei der Herstellung von Leuchtmasse schließlich gänzlich eingestellt und durch nichtradioaktive Bestandteile wie Photolumineszenzen ersetzt. Dies sind Materialien, die zwar nicht selbst leuchten, aber bei der Bestrahlung mit externen Lichtquellen zu leuchten beginnen. Jedoch traten auch hier Probleme auf, denn der Nachleucht-Effekt verringert sich bei Dunkelheit allmählich, während radioaktive Materialien ein konstantes Strahlen liefern.

Modern times

Omega Seamaster Planet Ocean
Omega Seamaster Planet Ocean, Bild © Bert Buijsrogge

Heutzutage wird überwiegend die Photolumineszenz LumiNova eingesetzt. Das Material wurde 1993 von der Japanischen Firma Nemoto & Co. Ltd. entwickelt. Sie schloss sich später mit der Schweizer Firma RC TRITEC Ltd. zusammen, um gemeinsam die LumiNova AG Schweiz zu gründen, die diese Leuchtmasse herstellt. LumiNova und Super-LumiNova Farben sind nichtradioaktive, photolumineszente Leuchtmassen. Sie leuchten sehr hell, nachdem sie einer Lichtquelle ausgesetzt wurden. Ihre Strahlkraft lässt im Dunkeln nur langsam nach. Es ist noch nicht bekannt, ob die verwendeten Pigmente sich mit der Zeit verfärben. Jedenfalls sind sie aber sehr anfällig und können zum Beispiel krümeln oder flocken, wenn sie feucht werden. Andere Firmen setzen ähnliche Komponenten ein, wie zum Beispiel Seikos Lumibrite oder Rolex Chromalight, die dieselben Bestandteile enthalten wie LumiNova.

Auch wenn die verwendeten Materialien und Prozesse sich immer wieder geändert haben – die Anforderungen und Einsatzgebiet sind gleichgeblieben. Ob beim Tauchen, der Arbeit in der Nacht oder einfach beim Auf-die-Uhr sehen in der Dämmerung, Ihre Uhr wird Sie nicht im Stich lassen. Sie wird leuchten, genau wenn Sie es brauchen. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir unsere Leuchtmasse schätzen lernen.

Lesen Sie mehr über Uhren und Technik:

Berühmte Uhren-Kaliber

Die Herstellung einer Uhr


Über den Autor

Christopher Beccan

Christopher Beccan ist Gründer des Online-Magazins „Bexsonn“ und schreibt dort regelmäßig über seine zwei Leidenschaften: Außergewöhnliche Uhren und Whisky. Weitere …

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