28.04.2022
 5 Minuten

Muss eine Uhr wertstabil sein?

Von Donato Emilio Andrioli
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Jedes Mal, wenn ein neuer Artikel von mir veröffentlicht und von unserer Redaktion in den sozialen Medien geteilt wird, kann ich es kaum erwarten, Ihre Kommentare und Reaktionen zu sehen. Vor kurzem stieß ich dabei auf einen Kommentar, der mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte: Darin wurde die immer wiederkehrende Erwähnung um Wertstabilität und Wertsteigerung von Uhren kritisiert. Tatsächlich habe ich schon öfter die Meinung vertreten, das Thema Wertstabilität habe wenig mit Uhrenliebe zu tun. Das hat mich dazu gebracht, mir ein paar Gedanken über dieses kontroverse Thema zu machen. Ich muss gestehen: Auch mir ist Wertstabilität bei der Wahl einer Uhr wichtig. Ist das aber per se wirklich etwas Schlechtes für das Uhrenhobby? Oder bringt das Thema „Wertstabilität“ auch positive Aspekte mit sich? Muss eine Uhr überhaupt wertstabil sein oder sollte dieser Faktor gar keine Rolle spielen? 

Wertstabile Uhren wie die Rolex Daytona: Fluch oder Segen für das Uhrenhobby?

Wertstabile Uhren: Profitgier oder „Sicherheit“?

Wenn es beim Uhrenhobby rein um Wertsteigerung und Profit ginge, wäre die Auswahl an Luxusuhren ziemlich klein. „Performance-Monster“ wie eine Audemars Piguet Royal Oak sind in der Uhrenwelt gar nicht so häufig anzutreffen, wie es manchmal den Anschein hat. Überhaupt: Nur die wenigsten unter uns dürften solche beliebten Uhren wie auch die Rolex Daytona oder eine Patek Philippe Nautilus zum offiziellen Listenpreis bekommen – und selbst dann: Im Falle eines zeitnahen Verkaufs wären wir beim Händler, der uns solch eine begehrte Uhr ermöglicht hat, ziemlich schnell unten durch. Auch wenn es „Flipper“ gibt, die eine Uhr zum Listenpreis kaufen und mit hoher Rendite sofort wieder verkaufen: Ich bin der vollen Überzeugung, dass es den meisten von uns beim Thema „Wertstabilität“ um etwas ganz Anderes geht – nämlich darum, sein hart verdientes Geld nicht buchstäblich aus dem Fenster zu werfen. Und hier sind Luxusuhren wirklich einzigartig. Während andere materielle Hobbys wie Autos, Mode und Schmuck in der Regel sehr viel Wertverlust verursachen, sind Luxusuhren an sich generell ziemlich wertstabil – die einen mehr, die anderen weniger. Am Ende des Tages muss jeder Uhrensammler selbst entscheiden, wie viel Wertverlust bei einer Uhr in Ordnung ist. Wie viel Geld wären Sie bereit, bei einer Uhr, die Sie nicht mehr mögen, zu verlieren? Wie lange würden Sie beim Verkauf einer weniger beliebten Luxusuhr auf einen Käufer warten? Oder sind diese Aspekte für Sie vielleicht sogar völlig irrelevant und Sie würden sowieso niemals eine Uhr aus Ihrer Sammlung verkaufen? 

Few watches experience appreciation like the Patek Philippe Nautilus.
Nur wenige Uhren profitieren von einer solch hohen Wertsteigerung wie die Patek Philippe Nautilus.

Wann ist ein Uhrenliebhaber ein Uhrenliebhaber?

Doch sind Uhrensammler, die bei der Auswahl ihrer Uhren auf Dinge wie Wertstabilität achten, überhaupt echte Uhrenliebhaber? Ich bin mit vielen Gleichgesinnten in Kontakt und kenne einige Uhrenfans, die generell nicht dazu bereit sind, auch nur einen Cent am Wert ihrer Luxusuhren zu verlieren. Ich halte das bei den meisten Uhren für eine völlig unrealistische Vorstellung, dazu schränkt diese Einstellung die Auswahl an potenziellen Sammlerstücken extrem ein. Doch kann ich solch einem Uhrensammler seine Liebe zu Uhren deshalb absprechen? Auf gar keinen Fall! Es gibt meiner Meinung nach kein „richtig“ oder „falsch“. Ich halte mich persönlich für einen waschechten Uhrenliebhaber. Ich bin begeistert von Uhren, die eine große Historie und ein ikonisches, zeitloses Design aufweisen. Ich lese und schaue alles über Luxusuhren, was mir zwischen die Finger kommt und ich kann sogar Uhren etwas Positives abgewinnen, die nicht meinem persönlichen Geschmack entsprechen. Doch ich möchte ehrlich zu Ihnen sein: Besäßen Luxusuhren nicht einen generellen Grad an Wertstabilität, hätte ich mit der Uhrensammelei erst gar nicht begonnen, denn dann könnte ich es mir schlicht und einfach nicht leisten, so viel Geld sprichwörtlich „kaputt“ zu machen. Die Wertstabilität von Luxusuhren hat mich erst dazu ermutigt, mich in die Uhrenwelt zu begeben. Paradoxerweise sind für mich genau die Uhren in meiner Sammlung unverkäuflich, die am wertstabilsten sind und bereits eine hohe Wertentwicklung hinter sich haben. Dass diese Uhren später hohe Marktpreise erzielen würden, war mir beim Kauf zwar schon klar, doch das war nicht der Grund, warum ich sie ausgewählt habe; sie haben mir einfach ausgesprochen gut gefallen. Die Tatsache, dass diese Uhren ihren Wert in Zukunft sogar steigern würden, waren jedoch eine letzte Ermutigung für mich, zuzuschlagen. 

Auch wenn ich mich selbst nicht als Flipper bezeichnen würde, so kommt es doch das eine oder andere Mal vor, dass ich eine Uhr verkaufe. Das passiert, wenn mir eine Uhr nicht mehr gefällt oder ich sie nicht mehr so oft trage und gleichzeitig etwas anderes in Aussicht habe. Für mich ist es völlig in Ordnung, bei einem Verkauf 20-30 % des ursprünglichen Kaufpreises zu verlieren. Uhren sind nun mal ein Hobby – und Hobbys kosten nun einmal Geld. In dieser Zeit habe ich jedoch eine schöne Uhr getragen und damit eine Menge Spaß gehabt. Ich finde ich es nur fair, beim Verkauf etwas Geld zu verlieren, immerhin habe ich die Uhr intensiv benutzt sowie die eine oder andere Tragespur hinterlassen. Ich habe in der Regel jedoch nicht mein ganzes Geld verspielt und erhalte für meine Uhr noch einen gewissen Restwert. Das macht das Uhrenhobby für mich extrem attraktiv. Völlig unabhängig davon, ob Ihnen Werterhalt wichtig ist oder nicht: Wir sind alle Uhrenliebhaber – mit jeweils völlig verschiedenen Ansichten und finanziellen Möglichkeiten. 

Does the performance of the Rolex Submariner ruin its appeal?
Macht die Wertstabilität der Rolex Submariner den Reiz der Uhr kaputt?

Muss eine Luxusuhr wertstabil sein? – Fazit

Sicher, eine neue Rolex samt Aufklebern in einen Safe zu stecken und Jahre darin liegen zu lassen, hat mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nichts mit Uhrenliebe zu tun. Nur dürften die wenigsten von uns das tatsächlich so handhaben, schließlich wollen wir unsere Schmuckstücke tragen und uns daran erfreuen. Und so denke ich, dass es den meisten Uhrenliebhabern beim Thema Wertstabilität nicht um hohe Rendite oder schnelle Gewinne geht, sondern schlicht und einfach um eine Uhr, die so wenig von ihrem Wert verliert wie möglich. Eine tolle, hochwertige Uhr, mit der Sie Spaß haben und Erfahrungen sammeln können und – im Falle eines Verkaufs – zumindest einen ordentlichen Restwert haben. Das ist besonders dann interessant, wenn Ihnen die Uhr nicht mehr gefällt oder Sie etwas Neues in Aussicht haben. Wenn die alte Uhr dann eher noch an Wert zugelegt hat, umso besser. Um aber die Frage zu beantworten: 

Nein, eine Uhr muss nicht wertstabil sein. Eine hohe Wertstabilität macht eine Uhr weder besser noch schöner. Wertstabilität macht sie jedoch für noch mehr Menschen zugänglich, beliebt und begehrenswert. Das Thema Luxusuhren gewinnt dadurch an Bedeutung. Aus diesem Grund ist Wertstabilität, bei aller Kontroverse, etwas Tolles, wovon die gesamte Uhrenwelt profitiert.  


Über den Autor

Donato Emilio Andrioli

Als ich mit der Tudor Black Bay 41 meine erste mechanische Uhr kaufte, begann für mich eine neue große Leidenschaft. Besonders begeistern mich ikonische Uhren, die eine interessante Geschichte vorweisen können.

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