31.05.2023
 7 Minuten

Uhren als Investition: Lohnt sich das noch?

Von Kristian Haagen
Rolex-Sea-Dweller-2-1

Viele sammeln Uhren aus Leidenschaft. Andere kaufen sie, um sie schnell mit möglichst viel Gewinn wieder zu verkaufen. Aber gibt es eigentlich noch Uhren, mit denen man Geld verdienen kann?

Als ich gebeten wurde, einen Artikel darüber zu schreiben, ob es sich noch lohnt, in Uhren zu investieren, schüttelte ich sofort den Kopf und dachte an mein Credo: „Ich habe Uhren nie des Geldes wegen gekauft, sondern weil ich sie sammle.“ Diesen ehrenwerten Satz hört man oft von „echten“ Uhrensammlern. Aber ehrlich gesagt enthält er eine ordentliche Dosis Altherren-Hokuspokus. Das ist wie wenn Ihr Opa zu Weihnachten leicht angeschickert anfängt mit „Als ich so alt war wie du …“ Sie schauen ihn an, hören aber nicht wirklich hin. Sie wissen ja bereits, was jetzt kommt – und es ist wenig Sinnvolles.

Ein anderer Rat, den ich jungen Sammlern gern mit auf den Weg gebe, lautet: Investiere in Dich und Dein Glück und kaufe nur das, was Du Dir auch leisten kannst. Ich erkläre ihnen, dass Verliebtsein dasselbe ist wie Wahnsinn, und dass man in beiden Fällen nicht weiß, was man tut. Dann folgt in der Regel mein viel geprobter Monolog über jenen sonnigen Tag in Monaco im Jahr 2009, an dem ich mir eine Patek Philippe Nautilus Chronograph Ref. 5980 zulegte, die ich mir nicht leisten konnte. „Der Wein war schuld. Nach der zweiten Flasche schien mir dieser Kauf das Vernünftigste der Welt zu sein“, sage ich lächelnd – ein bisschen schuldbewusst, aber auch ein bisschen stolz.

Ich beende meinen Monolog meistens mit den Worten: „Aber am nächsten Tag, im Flugzeug von Nizza nach Kopenhagen, habe ich mir selbst einen Tritt verpasst und mir vorgenommen, nie wieder zu trinken.“ Und heute, fünftausend Flaschen Wein später, bereue ich diesen schönen Nachmittag in Monaco kein bisschen. Im Gegenteil. Letztes Jahr, kurz bevor der Ukrainekrieg den völlig überhitzten Uhrenmarkt Mores lehrte, verkaufte ich ebendiese Nautilus – mit zugegebenermaßen beträchtlichem Gewinn. Kein Grund, sich zu schämen: Der Uhr, die 2009 meine Finanzen reichlich überstrapaziert hat, verdanken wir heute nicht nur eine neue Küche, sondern auch ein zweites Bad im Obergeschoss für die Kinder und einen komplett ausgestatteten Fitnesskeller.

Über dieses Geld, um das ich keine Bank anbetteln musste, freue ich mich jeden Tag aufs Neue. Ich habe es allerdings nicht für eine neue Uhr oder noch mehr Wein ausgegeben. Stattdessen habe ich es in ganz andere Dinge „investiert“: eine Instagram-taugliche Küche, ein Extra-Bad für maximal saubere Kinder, und ein Fitnessstudio, in dem ich meine tägliche Weindosis wieder ausschwitzen kann. Das Geld für diese Uhr war also definitiv gut angelegt.

Wer oder was gibt also ausgerechnet mir das Recht, zu behaupten, das Sammeln von Uhren lohne sich finanziell nicht? Zugegeben ist das etwas widersprüchlich. Andererseits ging es mir zu Beginn meiner Sammlerkarriere wirklich um etwas ganz anderes als mit Uhren Geld verdienen zu wollen. Ich war einfach begeistert von der Uhrmacherkunst. Wohlgemerkt, das war Anfang der 1990er-Jahre, Die Anfangszeit des Internets brachte völlig neue, ungeahnte Möglichkeiten mit sich. Dieser nie dagewesene intensive Austausch über unsere Lieblingsmarken und -modelle faszinierte und begeisterte die Uhrenwelt.

Aber zurück zu unserem Thema: Auf dem heutigen Markt ist es zugegebenermaßen ziemlich schwierig herauszufinden, welche Uhren als Geldanlage taugen. In meiner Sammlung und auf chrono24.de findet sich jedoch noch so mancher ungeschliffene Diamant. Und ja, es sind (überraschenderweise) auch einige Rolex-Uhren darunter.

Rolex Sea-Dweller Ref. 16600

Rolex Sea-Dweller ref. 16600
Rolex Sea-Dweller Ref. 16600

Aufgrund ihrer 30-jährigen Produktionszeit (von 1989 bis 2009) würde man der Sea-Dweller Ref. 16600 normalerweise keinen übermäßig hohen Sammlerwert beimessen. Beworben wurde sie wurde als eine etwas kostspieligere Version der Submariner Ref. 16610 mit einer Wasserdichtigkeit bis 1.220 m. Aber mal ehrlich: Wer bezahlt so viel mehr für eine Uhr, die er letztendlich nur für den Alltag benötigt? Eine Submariner ohne Datum wie die Ref. 14060 würde es auch tun. Und vom Rest könnten Sie Ihr Date schick ausführen und dabei dem Kellner Ihre Rolex zeigen – man kann sich auch mit weniger sehen lassen.

Die Ref. 16600 ist jedoch eine Klasse für sich. Sie ist nicht nur wasserdicht bis zu einer Tiefe von bis 1.220 m, sondern auch zuverlässig und robust. Da sie ohne die auffällige Zykloplupe über dem Datumsfenster auskommt, wirkt sie auch ziemlich diskret. Die Ref. 16600 geht nie kaputt und lässt Sie nie im Stich. Sie ist keineswegs „nur eine weitere Taucheruhr.“ Die Rolex Sea-Dweller Ref. 16600 ist einfach DIE coolste Taucheruhr. Und doch ist sie bei Weitem nicht die teuerste Neo-Vintage-Sportuhr von Rolex auf dem Markt. Tatsächlich ist ein schönes Exemplar dieser Referenz günstiger als eine moderne Milgauss und nur wenig teurer als eine Datejust mit Saphirglas aus den 1990er-Jahren. Momentan ist die Ref. 16600 – ohne Box und Papiere – für etwa 7.900 bis 9.200 EUR zu haben.

 

Mit ihrem eher konservativen Look und ihrer robusten Konstruktion gehört die Ref. 16600 in jede Rolex-Sammlung. Allerdings sehen das bei Weitem nicht alle so. Daher ist sie für Einsteiger durchaus eine Überlegung wert. Und überhaupt, wie lang ist noch mal die Warteliste Ihres Lieblingshändlers für eine neue Rolex Submariner?

Rolex Milgauss Ref. 116400

Rolex Milgauss ref. 116400
Rolex Milgauss Ref. 116400

Die 1956 von Rolex vorgestellte Milgauss richtete sich vorwiegend an die Techniker unter uns. Dank ihres Faradayschen Käfigs zum Schutz vor Magnetismus – der für ein mechanisches Uhrwerk tödlich sein kann – war die Milgauss ideal für Ingenieure, Piloten, Elektriker und andere Berufsgruppen, die es mit Magnetfeldern und magnetischen Werkzeugen zu tun bekommen. Die antimagnetischen Eigenschaften der Milgauss fanden ihren unmittelbaren Ausdruck in ihrem blitzförmigen Sekundenzeiger. Dieses Design findet sich auch bei der Milgauss Ref. 116400 wieder.

Die 2007 vorgestellte 40 mm große Milgauss war nicht nur mit schwarzem oder weißem Zifferblatt erhältlich. Daneben gab es eine Version mit einem schwarzem Zifferblatt und grünem Saphirglas. Als modernste der drei erhielt diese die meiste Aufmerksamkeit, vor allem nach der Einführung des Modells mit dem Zifferblatt in „Z-Blue“ im Jahr 2014.

Obwohl auch aus Stahl, erreichte die Milgauss Ref. 116400 nie die Popularität anderer Edelstahl-Sportuhren aus dem Hause Rolex. Sie bekam erst vor Kurzem eine eigene Warteliste, und in diesem Jahr war sie dann plötzlich verschwunden.

Wenn Sie auf der Suche nach einer anständig dimensionierten Rolex aus Edelstahl zu einem vernünftigen Preis sind, sind Sie hier goldrichtig. Und wenn Sie mit dem etwas anonymen Look der Ref. 116400 mit schwarzen Zifferblatt leben können, dann passt alles wunderbar. Mit Preisen ab etwa 9.200 EUR ist bei diesem Modell noch viel Luft nach oben, und wenn auch der Rest der Welt erkennt, dass es die Milgauss nicht mehr gibt – dann ist Ihre Stunde gekommen.

 

Tank Américaine

Tank Americaine Rose Gold
Tank Américaine in Roségold

Sie finden die Tank Américaine nur mäßig interessant? Ich kann es Ihnen nicht verübeln. Tank ist Tank, kennt man eine, kennt man alle, oder? Nun, ich widerspreche Ihnen ungern, aber das stimmt ganz und gar nicht! Die berühmte Tank Américaine aus dem Jahr 1996 mag vielleicht nie den ganz großen Durchbruch geschafft haben. Dennoch ist sie eine sehr attraktive Uhr, preislich zwischen dem Einstiegsmodell Tank Classique und der kostspieligeren Tank Cintrée gelegen.

Und sie liegt schon seit Jahren direkt vor unserer Nase mitten in den Vitrinen! Wahrscheinlich haben Sie sie höflich ignoriert, denn in den vergangenen Jahren machten eher die Tank Classique und vor allem die Santos von sich reden. Dies erklärt, warum Cartier es als eine unter vielen der Kategorie „obere Zehntausend“ zum Zweitplatzierten hinter Rolex gebracht hat. Der Tank Américaine wohnt eine Eleganz inne, die CEO Cyrille Vigneron kürzlich in einem Interview auf der Watches and Wonders als „die beste Komplikation der Marke“ bezeichnete.

Und damit hat er ausgesprochen recht. Bei Cartier geht es nicht um Tourbillons, Minutenrepetitionen oder Ewige Kalender. Stattdessen zeichnen sich Cartier-Uhren durch eine eigene Eleganz aus, die ihresgleichen sucht. So wird auch die Tank Américaine mit der Zeit definitiv zum Sammlerstück werden.

Die Tank Américaine ist in Stahl, Roségold sowie Weißgold erhältlich und sehr gefällig. Gebrauchte Edelmetallversionen der inzwischen eingestellten Tank Américaine sind zu einem Drittel des Listenpreises zu haben und warten noch darauf, als sammelwürdige Uhr entdeckt zu werden.

Schlagen Sie jetzt zu! Günstiger bekommen Sie diese Uhr nie wieder, zumal Cartier kürzlich auf der Watches and Wonders 2023 eine neue, noch schlankere und noch elegantere Generation der Américaine vorstellte. Und die wird auf jeden Fall in Zukunft ein echtes Sammlerstück werden.

 

Die Sammlerstücke der Zukunft

Apropos Neuheiten der Watches and Wonders 2023: Es lohnt sich durchaus, auch einen Blick auf einige der neuen Modelle zu werfen und zu überlegen, welche davon in Zukunft zu echten Sammlerstücken werden könnten. Aber was macht eigentlich eine Uhr zum Sammlerstück?

Hohen Sammlerwert erhält eine Uhr, wenn:

  •  Es sich um eine attraktive, limitierte Edition handelt wie die 2021 zum 100-jährigen Firmenjubiläum erschienene Cartier Cintrée, die direkt der Sammlergemeinde angeboten wurde.
  • Sie über eine seltene oder noch nie dagewesene Komplikation verfügt, wie die 2022 eingeführte Parmigiani PF Tonda GMT Rattrapante oder die Minute Rattrapante, die uns in diesem Jahr begeistert.
  • Sie eine interessante und allgemein bekannte Geschichte erzählt. Perfektes Beispiel hier ist die „Paul Newman“-Daytona, die bekanntlich 2017 bei einer Auktion für über 17 Millionen Dollar unter den Hammer kam.
  • Es sich um eine Rolex handelt.

Wobei letzteres keine Garantie darstellt. Die in diesem Jahr vorgestellte Rolex Perpetual 1908 wird wohl nicht bloß ein Ausstellungsstück im Schaufenster werden. Sie fragen, warum? Nun, kurz gesagt: Sie sieht nicht aus wie die Submariner, GMT-Master oder Daytona, drei der bekanntesten und Rolex-Modelle mit dem höchsten Wiedererkennungswert.

Das gilt auch für andere Modelle ohne Oyster-Gehäuse wie die Prince aus dem Jahr 2005 und die inzwischen eingestellte Cellini-Reihe aus dem Jahr 2014. Eine Rolex muss eben wie eine Rolex aussehen, sonst suchen die Leute woanders. Demnach sind die Ladenhüter von heute ja vielleicht die Sammlerstücke von morgen. Auch die berühmte Daytona rief zuerst wenig Begeisterung hervor, die Explorer II „Freccione“ blieb jahrelang in den Vitrinen liegen, und die Nautilus galt in ihrem Erscheinungsjahr 1976 eher als ein Kuriosum von Patek Philippe. Und heute gehören all diese Uhren zu den begehrtesten der Welt und werden zu astronomischen Preisen gehandelt.

Letzten Endes lautet die wichtigste Regel beim Uhrensammeln: Kaufen Sie für sich und mit Ihrem eigenen Budget – nicht mit dem des nächsten Besitzers. Und wenn Sie Ihre Uhr anschauen, sollte es Ihnen nicht darum gehen, wie spät es ist. Betrachten Sie sie stattdessen mit Liebe und genießen Sie das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist, denn Liebe ist wichtiger als Geld (das gilt übrigens auch für meine neue Küche, mein zweites Bad und mein kleines Fitnessstudio).


Über den Autor

Kristian Haagen

Ich habe mit etwa 20 Jahren angefangen, Uhren zu sammeln. Am liebsten mag ich Vintage-Uhren. Mit ihnen sind oft faszinierende Geschichten und coole Hintergründe verbunden. Ihre Herkunft kann eine Uhr viel interessanter machen, als es jede noch so tolle neue Uhr ohne Hintergrund-Story je sein könnte.

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