10.03.2023
 8 Minuten

Uhren in Übergröße: Sind XXL-Uhren noch modern?

Von Sebastian Swart
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Klein, groß, größer, übergroß: Ähnlich wie bei Fernsehern und Autos bliesen auch viele Hersteller von Luxusuhren einige ihrer (Herren)-Modelle in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter auf. Während bis etwa Ende der 1990er-Jahre Uhren mit einem Durchmesser von 40 mm bereits als groß galten, begann Anfang der 2000er ein Trend, der Luxusuhren hervorbrachte, die schnell die Größe von 44 mm knackten. Eine Entwicklung, welche die Uhrengemeinschaft gerne annahm.

Dies führte dazu, dass Hersteller wie Panerai, Breitling oder Hublot nur wenig später Zeitmesser vorstellten, die bis zu 48 mm groß waren. Berühmte Träger solcher Brummer waren bzw. sind unter anderen Hollywood-Größen wie Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger oder NBA-Star Kobe Bryant. Schaut man dieser Tage auf die Handgelenke verschiedener Prominenter, fallen die präsentierten Luxusuhren allerdings deutlich kleiner aus. Der modische Trend hin zu immer größeren Uhren legte sich also eines Tages wieder und an die Handgelenke kehrte etwas mehr Bescheidenheit zurück. In den Kollektionen der oben genannten Hersteller und neuerdings sogar von Rolex befinden sich derzeit jedoch Modelle mit Durchmessern von bis zu 50 mm, doch dazu später mehr.

Uhren im XXL-Format sind jedoch keine Erfindung der Neuzeit oder gar von Breitling, Rolex oder Panerai. Bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg bauten Hersteller wie Lange & Söhne oder IWC Taschenuhren zu Fliegeruhren um, die bis zu 55 mm groß waren. Während diese Uhren jedoch schlichtweg so groß waren, damit die Flieger sie im lebensgefährlichen Lufteinsatz sicher ablesen konnten, dienen moderne Uhren dieser Größe heute vorrangig dazu, um aufzufallen.

Wie groß darf eine Uhr sein?

An der Frage, ab wann eine Uhr zu groß ist, scheiden sich unter Uhrenfreunden seit jeher die Geister. Gemeinhin gilt: Getragen werden darf, was gefällt. Und so gibt es keine klare Definition davon, was als zu groß angesehen werden muss. Dennoch sollte es auch objektiv gesehen klar sein, dass eine 50 mm große Uhr an einem Handgelenk mit nur 16,5 cm Umfang höchstwahrscheinlich deplatziert wirkt. Über die Größenauswahl bei einer Uhr sollten auch nicht immer die nackten Zahlen entscheiden.

Es spielen eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle, wenn es darum geht, ob eine Uhr am Handgelenk passend aussieht oder nicht. Einige wichtige Parameter sind die Zifferblattgröße, die Breite der Lünette, die Bandanstoßbreite und der oft genannte Hornabstand (Lug to Lug).

Hier kommt neben dem reinen Handgelenkumfang zudem ins Spiel, ob Sie ein eher rundes oder flaches Handgelenk besitzen. Die Hörner sollten in jedem Fall nicht über das Handgelenk hinausragen, alles andere ist Geschmackssache – und auch schlechter Geschmack ist bekanntlich nicht verboten. Dass eine 45 mm bis 50 mm große Armbanduhr indes kaum über besonders kurze Hörner oder ein schmales Armband verfügen dürfte, liegt auf der Hand. Insofern sind die meisten Riesenuhren für schmale Handgelenke höchstwahrscheinlich ungeeignet. Vielleicht ist unter den drei folgenden Beispielen ja ein Modell, das Ihrem wie auch immer gearteten Handgelenk schmeichelt.

Breitling Avenger Hurricane – 50 mm Tropensturm

Breitling ist in der Uhrenszene seit jeher bekannt für seinen selbstbewussten Auftritt und den Fokus auf ausladende Herrenuhren. Die Marke hat sich unter der Leitung des CEO Georges Kern in den vergangenen Jahren jedoch komplett neu ausgerichtet. So legt die Manufaktur heute besonderen Wert darauf, den Esprit früherer – und kleinerer – Vintage-Modelle mit moderner Uhrmacherkunst zu kombinieren. Auch sind Damen bzw. Damenuhren weit mehr in den Fokus gerückt als noch zu den vielfach genannten „Pre-Kern-Zeiten.“

Trotz der Wandlung kommen Männer mit XXL-Handgelenken und Machos, die gerne kräftige Handgelenke hätten, bei Breitling noch immer auf ihre Kosten. Wenn auch Sie große Uhren mögen, dann könnten Sie einmal einen Blick auf die Avenger Hurricane werfen. Neben Zeitmessern mit 45 mm Durchmesser stehen auch Varianten zur Auswahl, die eine Größe von 50 mm besitzen und damit die Messlatte sehr hoch ansetzen.

Trotz ihrer beachtlichen Größe ist die Breitling Avenger Hurricane verhältnismäßig leicht, denn sie besitzt ein Gehäuse, das aus dem vom Hersteller selbst entwickelten Verbundstoff „Breitlight“ besteht. Lünette, Gehäuseboden und die Chronographendrücker sind ebenfalls aus diesem neuartigen Material gefertigt. Laut Breitling ist Breitlight fast sechs Mal leichter als Stahl und über drei Mal leichter als Titan. Damit bringt es die 50 mm große Version inkl. Kautschukarmband auf ein Gesamtgewicht von nur etwa 80 Gramm. Zum Vergleich: Eine aktuelle Rolex Submariner am Stahlarmband wiegt bereits über 150 Gramm.

Wenn Sie diese mattschwarz gehaltene Uhr souverän tragen möchten, dann sollte ihr Handgelenk mindestens 61 mm breit sein, denn dies ist der Lug to Lug-Abstand. Mit einer Höhe von fast 17 mm baut die Uhr außerdem sehr hoch, unter einer Hemdmanschette verschwindet sie also nicht ganz freiwillig, wenn überhaupt. Die Bandanstoßbreite beträgt 24 mm, was im Vergleich zu den sonst üblichen 20 mm bis 22 mm einen erheblichen Unterschied darstellt.

Die Zahlen für Avenger-Modelle mit einem Gehäusedurchmesser von „nur“ 48 mm und aus Edelstahl sind auf dem Papier nur unwesentlich zierlicher. So beträgt der Hornabstand (Lug to Lug) bei einem Super Avenger Chronograph 48 noch immer kräftige 59 mm. Die Gehäusehöhe von 17,7 mm übertrifft die Höhe der Hurricane sogar noch um 0,7 mm, während die Anstoßbreite von 24 mm gleich bleibt. In der Uhr tickt das automatische Breitling Manufakturkaliber B01, das eine Gangautonomie von 70 Stunden bietet.

Im Vergleich zu den folgenden Uhren ist der Anschaffungspreis für eine Breitling Avenger Hurricane mit rund 5.800 EUR erfreulich niedrig.

Size does matter – Breitling Avenger Hurricane mit 50 mm Durchmesser

Rolex Sea-Dweller Deepsea Challenge – Herausforderung fürs Handgelenk

Sir Edmund Hillary und Tenzing Norgay betraten als Pioniere den Mount Everest 1953. Buzz Aldrin und Neil Armstrong waren im Jahr 1969 die ersten Menschen auf dem Mond. Zwei große Ereignisse, die untrennbar mit zwei legendären Uhren verbunden sind, der Omega Speedmaster Professional Moonwatch und der Rolex Explorer. Dass ein gewisser Jacques Piccard aus Belgien zusammen mit dem Amerikaner Don Walsh die ersten Menschen waren, die den tiefsten Punkt der Erde erreichten, ist hingegen weniger bekannt. Am 23. Januar 1960 gelang den beiden Tiefseetauchern das bis dahin für unmöglich gehaltene: Sie tauchten über 11.000 Meter ab in das Challenger-Tief des Marianengrabens. An dem U-Boot namens Trieste montiert war ein gigantisch großer Rolex Prototyp namens Deep Sea Special.

Bis heute gelang es nur etwa einer Handvoll aufwendiger Expeditionen bis an den tiefsten Punkt des Marianengrabens vorzudringen, darunter der Hollywood-Starregisseur James Cameron. Im März 2012 wagte sich Cameron an Bord des Tiefsee-Boots „Deepsea Challenger“ bis in eine Tiefe von 10.908 Meter und damit nur einige Meter weniger als Jacques Piccard 52 Jahre zuvor. An der Außenhaut des U-Boots war die bis 12.000 Meter wasserdichte Deepsea Challenge montiert, ein weiterer experimenteller Prototyp von Rolex. Es wird niemanden überraschen, dass die 50 mm große und 28,5 mm hohe Uhr die Expedition unbeschadet überstand, zumal die Deepsea Challenge inoffiziell sogar bis zu einer Wassertiefe von unglaublichen 1.500 bar, also 15.000 Meter getestet wurde.

Anfang November 2022 stellte Rolex zur Überraschung vieler Uhrenfans ein Serienmodell der Sea-Dweller Deepsea Challenge (Ref. 126067) vor. Die offiziell bis zu 11.000 Meter wasserdichte Uhr ist das erste von Rolex jemals in Serie gefertigte Titan-Modell. Die Uhr besitzt – wie der Prototyp – einen Gehäusedurchmesser von 50 mm. Im Gegensatz zum Vorbild ist die Uhr allerdings „nur“ 23 mm hoch. Rolex erreichte dies, indem das Deckglas flacher gestaltet wurde und nun selbst eine Höhe von 9,5 mm statt der vorherigen 14,5 mm aufweist. Der Hornabstand beträgt wie bei der Breitling Avenger Hurricane 61 mm.

Im Innern gibt das hauseigenen Kaliber 3230 den Takt vor. Bei Vollaufzug bietet es eine Gangreserve von bis zu 70 Stunden. Die Deepsea Challenge ist mit einem vollständig satinierten dreigliedrigen Oyster-Armband aus Titan ausgestattet. Sofern Sie die Herausforderung annehmen und die Rolex Deepsea Challenge in Ihre Sammlung aufnehmen möchten, sollten Sie noch über Geldreserven von mindestens 38.000 EUR verfügen.

Auch Rolex kann XXL in Serienproduktion: Sea-Dweller Deepsea Challenge

Panerai Luminor Equation Of Time GMT – 47 mm

Das dritte Beispiel stammt von Officine Panerai. Bis in die 1990er-Jahre hinein war der 1860 gegründete Schweizer Luxusuhrenhersteller mit italienischen Wurzeln der breiten Masse praktisch unbekannt. Kein Wunder, denn Uhren der Marke waren bis 1993 ausschließlich für die italienische Marine bestimmt und wurden bis zu diesem Zeitpunkt streng geheim gehalten.

Die Kooperation mit der italienischen Marine geht zurück bis in das Jahr 1910, als Panerai begann, an fluoreszierenden Stoffen zu forschen, die Jahre später auf Tiefenmessern, Kompassen und anderen Geräten der Marine verwendet wurden. Der Name „Radiomir“, dem heute eine ganze Kollektion gewidmet ist, geht genau auf diese frühe Zusammenarbeit zurück, denn Radiomir war der erste Begriff, den Panerai für seine Leuchtmasse verwendete. Die Manufaktur setzte das auf dem radioaktiven Radium basierende Material bis in die 1940er-Jahre ein. Später wurde es von dem auf Tritium basierendem Leuchtmittel „Luminor“ abgelöst. Ebenfalls ein Begriff, dem Panerai eine ganze Kollektion widmet.

Panerai ist berühmt für seine oft überdimensionierten Zeitmesser, die sowohl in der Kollektion Radiomir als auch Luminor anzutreffen sind. Markantes Merkmal der Reihe Luminor ist der üppige Kronenschutzbügel, der die Krone vor harten Schlägen bewahrt und sie gleichzeitig fest ins Gehäuse presst, um die Wasserdichtigkeit von 100 m (10 bar) zu garantieren. Mit einem Durchmesser von 47 mm über die Lünette gemessen ist die Panerai Luminor Equation Of Time (PAM00670) zwar nicht die größte Uhr der Reihe Luminor, doch ist es für manch einen Träger vielleicht das technisch interessanteste Modell.

Die erfinderische Zusatzfunktion des Panerai Manufakturkalibers P.2002/E mit Handaufzug steckt bereits im Namen der Uhr, denn Equation Of Time bedeutet zu Deutsch „Zeitgleichung“. Als Zeitgleichung wird die Differenz zwischen der sogenannten wahren und der mittleren Sonnenzeit eines Ortes auf demselben Längengrad bezeichnet. Die Differenz entsteht durch die elliptische Umlaufbahn der Erde und durch die Neigung der Erdachse.

Um die zeitliche Abweichung darzustellen, verwendet Panerai eine lineare Anzeige oberhalb der 6-Uhr-Position. Eingestellt wird die Anzeige bei der Datums- und Monatskorrektur. Die profane Uhrzeit in zwei Zeitzonen können Sie natürlich ebenfalls ablesen. Auf eine Gangreserveanzeige müssen Sie ebenfalls nicht verzichten, diese ist auf der Rückseite des Uhrwerks integriert und wird durch den Gehäuseboden aus Saphirglas abgelesen. Die Gangreserve selbst liegt bei stolzen acht Tagen.

An der höchsten Stelle des Saphirglases ist die Equation Of Time knapp über 18 mm hoch. Der Hornabstand (Lug to Lug) liegt etwas oberhalb von 57 mm, während die Bandanstoßbreite üppige 26 mm beträgt. Abgesehen von letzterem Maß ist dieses Modell, auch aufgrund der Kissenform des Gehäuses, im Vergleich mit der Breitling Avenger Hurricane und der Rolex Deepsea Challenge der kleinste Uhrengigant in dieser Liste. Der Kostenpunkt liegt bei rund 20.000 EUR.

Panerai Equation Of Time GMT 47mm, Riese mit Zeitgleichung

Fazit

Diese drei Uhren im XXL-Format haben schon aufgrund der beeindruckenden Maße ihren Reiz. Die Frage, ob Uhren dieser Art heute noch in Mode sind, stellt sich insofern nicht, als das entsprechende Modell zu seinem Träger passen muss. Ob eine übergroße Uhr für Sie tragbar ist, sollten Sie individuell im Einzelfall entscheiden. Klar ist jedoch, dass es schon einer gewissen Statur bedarf, um diese Mega-Uhren tragen zu können. Wenn Sie also das Format eines Sylvester Stallone oder Arnold Schwarzenegger haben und ihr Handgelenk mindestens zwischen 57 mm und 61 mm breit ist, können Sie das Experiment auf jeden Fall einmal wagen.

Fun Fact: Die bis dato größte Armbanduhr der Welt ist vermutlich die japanische Uhr namens MUSK MR2129. Das Modell wurde – wohl mit einem Augenzwinkern – im Jahr 2006 vorgestellt. Der Gehäusedurchmesser beträgt hier 90 mm bei einem Gesamtgewicht von über 700 Gramm. Sollten Sie sich für diese Uhr entscheiden, müssen Sie allerdings vor dem Anlegen zu Hulk mutieren.


Über den Autor

Sebastian Swart

Chrono24 nutze ich privat bereits seit vielen Jahren zum An- und Verkauf, aber auch zur Recherche. Von Uhren bin ich fasziniert, solange ich denken kann. Bereits …

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