29.04.2022
 5 Minuten

Uhren und NFTs: Spekulation oder Wundermittel?

Von Chrono24
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Von Stella Kirchner

Haben Sie schon einmal daran gedacht, eine Rødex Daitona für 3.500 $ zu kaufen oder fragen Sie sich eher, warum so ein gravierender Rechtschreibfehler im Chrono24 Magazin stehen bleibt? Vielleicht möchten Sie aber auch wissen, wo Sie zu diesem Schnäppchenpreis eine Rolex Daytona bekommen. In Wahrheit verbirgt sich hinter dem Namen weder ein Tippfehler noch ein Schnäppchen, sondern eine digitale NFT-Uhr auf der Plattform Open Sea

Sie haben von solchen NFTs bereits häufiger im Zusammenhang mit starken Preisschwankungen gelesen? Dabei wird Ihnen wahrscheinlich entgangen sein, dass NFTs immer beliebter werden, wenn es um Sicherheit und das Abbilden von Rechten geht. Wussten Sie zum Beispiel, dass sogar etablierte Uhrenmarken wie Breitling oder Bvlgari auf NFTs für ihre Uhren setzen? Das Chrono24 Magazin erklärt Ihnen, wie das technisch funktioniert und warum es sein könnte, dass in Zukunft beinahe jeder Uhrenkäufer auch NFTs besitzt. 

NFTs: Box und Papiere der Zukunft?

„Wir haben für unsere Uhren immer Papiere, schön gestaltet und von Hand unterschrieben, verwendet. Aber jetzt befinden wir uns im digitalen Zeitalter und benötigen deswegen auch digitale Zertifikate“, ist sich Xavier de Roquemaurel, CEO der Uhrenmarke Czapek sicher. Fakt ist: auch im Jahr 2022 erreichen Uhren mit Box und Papieren tendenziell höhere Preise als Exemplare ohne einen physischen Nachweis über die Herkunft des Zeitmessers. Dies liegt zum einen an den in den Papieren festgehaltenen Informationen, aber andererseits schaffen eine Originalverpackung und Originalpapiere auch Vertrauen beim Käufer. Genau diese Informationen über Eigentumsrechte und Kaufpreise enthalten auch NFTs. Doch was unterscheidet NFTs von herkömmlichen Zertifikaten und wie sicher sind sie? 

„NFT steht für Non-Fungible Token. Fungible (austauschbar, Anmerkung der Redaktion) sind zum Beispiel Geldscheine. Wenn Sie mir zehn Dollar geben, kann ich Ihnen einen anderen Geldschein zurückgeben und der Wert bleibt gleich. Als Non-Fungible bezeichnet man hingegen einzigartige Objekte, die man also nicht einfach durch einen ähnlichen Gegenstand ersetzen kann“, erklärt Mathew Chittazhathu, CEO der Schweizer Technologie-Firma Adresta, genauer gesagt der Mann, der mit seinem Team die NFTs für die Uhren von Czapek kreiert hat. Ein NFT sei also vergleichbar mit einem einzigartigen Gegenstand, „von Kunstwerken bis hin zu einem Autogramm von Michael Jordan, der Unterschied ist zwischen solchen Gegenständen und NFTs ist lediglich, dass NFTs nicht physisch sind, sondern digital auf der Blockchain gespeichert werden“, so Chittazhathu. Das bedeutet, es handelt sich hierbei um digitale Einzelstücke.   

Die Sicherheit von Uhren-NFTs: Blockchain statt Bankschließfach

Doch warum braucht es eine Blockchain, um digital Informationen über den Eigentümer einer Uhr zu speichern? Eine Blockchain ist der Speicherort von Non-Fungible Tokens. Dieser Speicherort zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass Daten hier nicht auf einem Server liegen, sondern „in einem Netzwerk aus Computern und in Einheiten – den Blöcken – gespeichert und verifiziert werden“, so der Unternehmer. Zudem kennen Sie den Begriff eventuell aus dem Bereich der Kryptowährungen, „aber Blockchain bietet viel mehr Use Cases als Kryptowährungen“, erklärt Mathew Chittazhathu begeistert. Gemeinsamkeiten weisen die beiden Einsatzbereiche Währungen und Zertifikate jedoch trotzdem auf:  

  • Unveränderlichkeit der Transaktionen: Niemand kann sich fälschlicherweise im Nachhinein als Eigentümer des Geldes oder des (Uhren-)NFTs ausgeben. 
  • Lückenlose Aufzählung der Transaktionen: Jede Transaktion kann im Nachhinein öffentlich eingesehen werden, identifizierbar durch die persönliche Kennung, auch Key (Schlüssel) genannt. Dadurch ist eindeutig klar, wer Urheber und Käufer sind. 
  • Fälschungssicherheit: Daten auf der Blockchain können nicht dupliziert werden und sind demnach einzigartig und fälschungssicher.  

Eine Rolex Sea-Dweller mit Box und Papieren – bald auch mit NFT?
Eine Rolex Sea-Dweller mit Box und Papieren – bald auch mit NFT?

Genau diese Fälschungssicherheit und Nachverfolgbarkeit wünschen sich auch viele Uhrenkäufer. „Einem Czapek-Kunden wurde einmal eine Uhr gestohlen, in deren Zifferblatt die Namen seiner Kinder integriert war“, erzählt der Chef der Uhrenmarke Czapek, Xavier de Roquemaurel. „Dann hat er gesehen, dass genau diese Uhr bei Chrono24 inseriert war und wir konnten gemeinsam mit dem Chrono24-CEO Tim Stracke den Dieb fassen und der Kunde hat seine Uhr zurückbekommen. Doch genau dieser Moment hat mir gezeigt, dass wir eine andere Art von Zertifikaten brauchen.“ Wäre diese Uhr bereits mit NFT verkauft worden, hätte der Kunde über dieses Dokument mit nur einem Klick direkt nachweisen können, legitimer Eigentümer des Zeitmessers zu sein. „Die Sicherheit der Kunden darf nicht vom guten Willen eines CEOs abhängen“, so de Roquemaurel deutlich. Wenige Hundert NFTs seien bereits kreiert und gemeinsam mit Uhren verkauft worden. „Und immer mehr Leute fragen danach“, meint der CEO entschieden. 

Uhren-NFTs: die Lösung für alles?

„Was können NFTs eigentlich nicht?“, fragen Sie sich vielleicht beim Lesen dieses Artikels. „Wie jede andere Technologie ist natürlich auch Blockchain nicht perfekt“, gibt Unternehmer Mathew Chittazhathu zu. „Die komplexe Verifizierung der Transaktionen benötigt viel Strom, was negative Folgen für die Umwelt hat“, so der NFT-Unternehmer. Außerdem gibt er zu bedenken, dass „NFTs eine Momentaufnahme darstellen“. Genauer gesagt repräsentieren sie den Moment, in dem er kreiert wird. „Natürlich kann es passieren, dass zum Beispiel Ersatzteile in die Uhr eingebaut werden, ohne dass diese Änderung im NFT vermerkt wird“, gibt Chittazhathu zu. Sollten NFT und Uhr separat voneinander verkauft werden, verringere sich auch die Aussagekraft des Zertifikates. Allerdings werde die Entscheidung, was mit der Uhr und dem NFT passiere, immer vom Uhrensammler selbst entschieden. Genauso, wie aktuell jeder die Möglichkeit hat, Box und Papiere separat zu verkaufen. „Als Uhrenmarke möchten wir unseren Kunden aber die bestmögliche Zertifizierung des Zeitmessers ermöglichen“, betont Czapeks CEO Xavier de Roquemaurel.  

Preistreiber NFT: Werden Luxusuhren noch teurer?

Ähnlich wie die Uhrenmarke sieht es scheinbar auch das Auktionshaus Sotheby’s, das Anfang des Jahres die Original-Entwürfe von Gérald Genta für die Audemars Piguet Royal Oak versteigert hat, inklusive NFT. Der stolze Sammler hat dafür über 550.000 EUR auf den Tisch gelegt. Ob da wohl auch das NFT eine Rolle gespielt hat? Auch die Schmuck- und Uhrenmarke Bvlgari hat sich die zunehmende Beliebtheit von NFTs zunutze gemacht und die Technologie dabei auch noch künstlerisch in Szene gesetzt. Die Rede ist natürlich von der neuen Bvlgari Octo Finissimo Ultra mit ihrem charakteristischen QR-Code mitten auf dem Zifferblatt. Selten kamen Design und Digitales so nah zusammen in der Uhrenwelt. Doch diese Merkmale lässt sich die Marke auch gut bezahlen: 400.000 EUR kostet diese auf zehn Stück limitierte Wunderuhr. Dabei erscheint es schon fast nebensächlich, dass die Marke auch noch Piaget den Rang um den dünnsten jemals hergestellten Zeitmesser abgelaufen hat. Im Vergleich dazu: Eine gebrauchte, NFT-freie Bvlgari Octo Finissimo ist auf Chrono24 bereits für durchschnittlich 10.000 EUR zu haben.  

Bvlgaris Octo Finissimo Ultra mit kunstvollem QR Code

Angesichts solcher Beispiele erscheint die Angst nicht unbegründet, dass Uhren-NFTs die Preise auf dem ohnehin schon immer teurer werdenden Uhrenmarkt noch weiter steigern. „In Zukunft wird es wahrscheinlich auch passieren, dass NFTs unabhängig von den physischen Uhren weiterverkauft werden“, vermutet NFT-Unternehmer Chittazhathu. Das NFT stellt also selbst ohne sein physisches Gegenstück einen Wert dar. „Als digitales Asset können diese Uhren-NFTs auch teilbar sein, sodass mehrere Menschen ihn gemeinsam besitzen.“ 

Ähnliches ist bereits bei „physischen“ Echtheitsnachweisen wie Boxen bekannter Uhren zu beobachten. Für eine Rolex-Box mit Anleitungen müssen Uhrenfreunde aktuell beispielsweise auf Chrono24 mehrere Hundert EUR bezahlen. „Bei NFTs darf man auch nicht vergessen, dass Hypes immer mit starken Schwankungen einhergehen. Eine Garantie für Wertsteigerungen der Uhren-NFTs gibt es also auf keinen Fall“, merkt auch Mathew Chittazhathu an.  

NFT entrepreneur Mathew Chittazhathu
NFT-Unternehmer Mathew Chittazhathu
NFT entrepreneur Mathew Chittazhathu
Czapeks CEO Xavier de Roquemaurel

Box und Papiere bald wertlos?

„Irgendwann wird es wahrscheinlich normal sein, einen digitalen Zwilling seiner Luxusuhr zu besitzen“, vermutet Mathew Chittazhathu, wodurch sich womöglich die Wertschwankungen auch reduzieren. Dieser Meinung schließt sich auch de Roquemaurel an, betont aber auch die Wichtigkeit physischer Zertifikate: „Bei Uhren geht es um Traditionen und auch um das Physische. Wir werden die Papiere also definitiv nicht ersetzen, sondern nur um NFTs ergänzen“, stellt der CEO von Czapek klar. Jeder Uhrenkäufer wird also die Wahl behalten, ob er sein NFT nutzen möchte oder nicht. 


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