18.03.2022
 5 Minuten

Warum ist Audemars Piguet so teuer?

Von René Herold
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Wenn es um die Uhren von Audemars Piguet geht, fragen sich viele Uhrenfreunde: „Warum ist Audemars Piguet so teuer?“ Eine berechtigte Frage, bedenkt man, dass eine Armbanduhr von Audemars Piguet im Schnitt so viel kostet wie ein fabrikneuer Mittelklassewagen. Ganz zu schweigen von Audemars Spitzenmodellen, die nach Preisen verlangen, für die Sie sich ohne Probleme einen ganzen Fuhrpark zulegen könnten. Lassen Sie uns also einmal schauen, wie diese astronomisch erscheinenden Preise zustande kommen und ob sie gerechtfertigt sind oder nicht. 

Wie kommen die Preise bei AP zustande?  

Audemars Piguet ist einer der bekanntesten Uhrenhersteller der Welt. Die Manufaktur gilt neben Patek Philippe und Vacheron Constantin als eine der „Big Three“ und befindet sich als einziger Schweizer Uhrenproduzent seit seiner Gründung im Jahr 1875 durchgängig in der Hand der Gründerfamilie. Von Beginn an waren Uhren von AP gern gesehene Accessoires bei den Reichen, Schönen und Mächtigen. Die Marke Audemars Piguet hat also einige Strahlkraft und steht für Tradition, Erfahrung und Exklusivität. Erklärt das die hohen Preise? Sicherlich nicht, doch ist unbestreitbar, dass Sie in jedem Fall auch für den Namen bezahlen. 

Trotz des großen Namens ist Audemars Piguet eine verhältnismäßig kleine Firma mit etwa 1.200 Mitarbeitern. Die Produktionszahlen sind dementsprechend niedrig. Pro Jahr verlassen etwa 40.000 Uhren die Produktionshallen von AP. Zum Vergleich: Branchenriese Rolex beschäftigt etwa 30.000 Mitarbeiter, die jedes Jahr zwischen 700.000 und 1 Mio. Uhren herstellen. Die geringen Stückzahlen lassen sich leicht erklären: Anders als bei Rolex, Omega oder Breitling wird bei Audemars Piguet ein großer Teil der Produktion in Handarbeit erledigt. Dies braucht natürlich seine Zeit. Allein die Finissage von Uhrwerken, Gehäusen, Zeigern und Indizes kann Tage oder sogar Wochen in Anspruch nehmen. Bei Audemars heißt das Motto ganz klar: Qualität vor Quantität. Und das sorgt natürlich auch für dementsprechend teure Preise.   

Apropos Uhrwerk: Als echte Manufaktur entwickelt und produziert Audemars Piguet seine Kaliber im eigenen Hause. Dies ist ein sehr aufwendiger und langwieriger Prozess, an dem ganze Heerscharen hochspezialisierter Mitarbeiter beteiligt sind. So waren die Uhrmacher und Ingenieure der Firma beispielsweise fünf Jahre damit beschäftigt, das neue Kaliber 7121 zur Marktreife zu entwickeln. Und hierbei handelt es sich wohlgemerkt um ein recht einfaches Kaliber, das die Stunden, Minuten und das Datum anzeigt. Bei Werken mit zusätzlichen Komplikationen wie Ewigem Kalender oder Schlagwerk ist der Entwicklungsaufwand um ein Vielfaches höher. Gleiches gilt für die daraus resultierenden Kosten. Die Entwicklung eines hochwertigen Kalibers kann schnell mehrere Hundert Mio. Euro kosten. Diese Preise schlagen sich natürlich auch in den verhältnismäßig teuren Uhren nieder.

Kaliber der Spitzenklasse: das AP Manufakturwerk 4302
Kaliber der Spitzenklasse: das AP Manufakturwerk 4302

Ein weiterer Kostenfaktor ist das verwendete Material. Edelmetalle wie Gold oder Platin haben naturgemäß einen hohen Preis. Doch auch so profan erscheinende Materialien wie Titan oder Edelstahl sind in der hohen Qualität, die Audemars Piguet für seine Uhren benötigt, alles andere als billig. Hinzu kommen moderne Werkstoffe wie Keramik oder Carbonfaser, für die völlig neue Produktionsverfahren entwickelt und umgesetzt werden müssen. Dazu sind oftmals komplett neue Maschinen nötig, in die ebenfalls eine Menge Entwicklungsarbeit gesteckt werden muss. Generell spielt Materialforschung im Uhrenbau eine immer größere Rolle. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie und wo die neuesten Hightech-Werkstoffe aus der Luft- und Raumfahrt bei der Produktion einer Uhr nützlich sein können. Auch Gold- oder Platinlegierungen stehen permanent auf dem Prüfstand, um sie beispielsweise strapazierfähiger zu machen.  

Um all diese Aufgaben bewältigen zu können, ist Audemars Piguet auf gut ausgebildete Mitarbeiter angewiesen. Da die Schweiz jedoch bekanntermaßen kein Billiglohnland ist, sind auch die Personalkosten ein bedeutender Faktor, wenn es um die Kalkulation der Preise geht.  

Nimmt man all die genannten Faktoren zusammen, erscheinen die Listenpreise, die Audemars Piguet für seine Uhren verlangt, durchaus angemessen oder zumindest nachvollziehbar kalkuliert zu sein. 

Audemars-Piguet-Preise: Listenpreise versus freier Markt 

Leider sind vom Hersteller empfohlene Listenpreise und Preise, die im freien Handel verlangt werden, oft zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Audemars Piguet ist hierbei keine Ausnahme. Schauen wir uns als Beispiel die Audemars Piguet Royal Oak „Jumbo“ Extraflach 15202ST an. Dieses Modell ist ein absoluter Klassiker im AP-Programm und bei Uhrenliebhabern besonders beliebt, weil es dem von Gérald Genta entworfenen Original aus dem Jahr 1972 besonders nahekommt. Der offizielle Listenpreis für eine 15202ST liegt im März 2022 bei 31.800 EUR. Auf dem freien Markt werden für dieses Modell jedoch Preise von 154.000 EUR und mehr verlangt. Noch vor 18 Monaten hätten Sie für die gleiche Uhr „nur“ 41.000 EUR ausgeben müssen. Im März 2018 kostete eine 15202ST gar nur 23.000 EUR. 

Das gleiche Bild zeigt sich auch bei der Audemars Piguet Royal Oak Selfwinding 15500ST, der Drei-Zeiger-Variante der Royal Oak. Laut Liste kostet dieses Modell aktuell 24.300 EUR. Der Marktpreis liegt momentan jedoch bei etwa 80.000 EUR. Auch hier sind die Preise in den letzten zwei Jahren massiv gestiegen, denn noch im März 2020 kostete die 15500ST im Schnitt 23.000 EUR. 

Die Royal Oak „Jumbo“ Extraflach 15202ST – ein Klassiker der Uhrenwelt
Die Royal Oak „Jumbo“ Extraflach 15202ST – ein Klassiker der Uhrenwelt

Doch wie sind solche exorbitanten Preissteigerungen zu erklären? Im Fall von Audemars Piguet kommen mehrere Faktoren zusammen: Wie wir schon gesehen haben, produziert die Manufaktur aus Le Brassus im Jahr nur etwa 40.000 Zeitmesser. Die Nachfrage nach Uhren von AP ist jedoch um einiges größer, was im stationären Handel zu teils langen Wartezeiten führt. Hinzu kommt, dass Audemars seit einigen Jahren eine „Direct to Customer“-Strategie verfolgt. Ziel ist es, Uhren von Audemars Piguet in absehbarer Zeit nur noch über spezielle Audemars-Piguet-Boutiquen zu vertreiben und nicht mehr über traditionelle Multi-Brand-Händler. In der Folge sind AP-Zeitmesser in der freien Wildbahn noch schwieriger zu finden, als es bisher schon der Fall war. Zusammengefasst kann man sagen: Hohe Nachfrage trifft auf geringes Angebot, was – wie jeder weiß – auf dem freien Markt zu hohen Preisen führt. 

Das erklärt allerdings noch nicht, warum die Preise in den letzten zwei Jahren dermaßen durch die Decke gegangen sind. Dazu müssen wir einen kurzen Ausflug zu Patek Philippe und ihrer Nautilus machen. Die Nautilus stammt wie die Royal Oak aus der Feder des Designers Gérald Genta. Beide Uhren genießen einen ähnlichen Kultstatus. Besonders die Nautilus 5711/1A aus Edelstahl ist für viele Uhrenliebhaber DIE Grail Watch. Patek hielt die Produktion dieser Referenz jedoch schon immer recht kurz, was zu jahrelangen Wartelisten und ständig steigenden Preisen auf dem freien Markt führte. Nachdem Patek 2021 ankündigte, die Referenz ohne Ersatz einstellen zu wollen, schossen die sowieso schon absurd hohen Preise in immer schwindelerregendere Höhen. 

Der Hype um die Nautilus hatte zur Folge, dass sich viele Uhrensammler auf der Suche nach einer bezahlbaren Alternative der Royal Oak zuwandten. Die Nachfrage stieg rapide an und trieb auch hier die Preise in die Höhe. 

Konnte Fans und Kritiker bisher nicht überzeugen: die AP Code 11.59
Konnte Fans und Kritiker bisher nicht überzeugen: die AP Code 11.59

Im Falle von Audemars Piguet konzentriert sich der Hype allerdings nur auf die Royal Oak und zu einem gewissen Teil auf ihr toughes Schwestermodell, die Royal Oak Offshore. Andere Produktlinien sind davon nicht betroffen. Hier ist teilweise das Gegenteil der Fall. So hat die 2020 eingeführte Kollektion Code 11.59 bei Fans und Kritikern einen sehr schweren Stand. Uhren dieser Reihe können Sie momentan fast immer unter Listenpreis bekommen. Auch Audemars Piguets Dresswatch-Serie Millenary fliegt deutlich unter dem Radar. So kostet beispielsweise die in Frosted Roségold gearbeitete Referenz 77244OR.GG.1272OR.01 auf Chrono24 im Schnitt 38.000 EUR und damit knapp die Hälfte des offiziellen Listenpreises von 61.900 EUR. 

Fazit: Sind Uhren von Audemars Piguet zu teuer?

Uhren von Audemars Piguet kosten ohne Frage eine Menge Geld. Allerdings muss man zwischen Listenpreisen und Marktpreisen unterscheiden – ganz besonders in Bezug auf die Royal Oak. Gemessen an der gebotenen Qualität sind die Listenpreise von AP durchaus nachvollziehbar. Sollten Sie also eine Royal Oak ins Auge gefasst haben, einen guten Draht zu einem Konzessionär besitzen und mit Wartezeiten von mehren Monaten oder gar Jahren kein Problem haben, können Sie diesen Klassiker zu einem angemessenen Preis bekommen. Auf dem freien Markt können Sie die Audemars Piguet Royal Oak ohne lange Wartezeit kaufen, müssen dafür jedoch satte Preisaufschläge in Kauf nehmen. Ob diese gerechtfertigt sind, müssen Sie letztlich selbst entscheiden. 


Über den Autor

René Herold

Mein Name ist René Herold und ich bin durch eine Stellenausschreibung auf Chrono24 aufmerksam geworden. Ich muss ehrlich zugeben, dass Uhren vor meinem Engagement bei …

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