22.06.2016
 4 Minuten

Zifferblätter: Blickfang und kunstvolle Technik

Von Christopher Beccan
Zifferblätter: Blickfang und kunstvolle Technik

Zifferblätter: Blickfang und kunstvolle Technik

Heutzutage mag es verrückt klingen, doch es gibt immer noch Menschen, die die Zeit von einer mechanischen Uhr ablesen. Das ist vielleicht altmodisch, aber einfacher und effizienter lässt sich kaum feststellen, wie spät es ist. Was eine mechanische Armbanduhr all den Hightech-Geräten voraus hat, ist, dass sie so lange die Zeit anzeigt, wie Sie sie am Leben halten. Wenn Sie einen mechanischen Zeitmesser tragen: Haben Sie sich schon mal bewusst Gedanken über das Aussehen des Zifferblatts, die vielen angewandten Verfahren und die Wirkung, die sie auf das Aussehen der Uhr haben, gemacht?

Meiner Meinung nach macht das Zifferblatt die Uhr aus. Ungeachtet des Gehäuses, des Armbands und allem anderen, was noch so an einer Uhr dran sein kann, ist das Zifferblatt der Teil, der nicht nur die meiste Aufmerksamkeit erhält, sondern sie praktisch auf sich zieht. Das Zifferblatt ist das Fenster zur Seele einer Uhr, deshalb will jedes noch so kleine Detail an ihm gut durchdacht sein. Die Auswahl an Zifferblattausführungen ist groß, deshalb möchten wir hier einige besondere Varianten vorstellen.

Guilloche

Die Guilloche ist eine Technik, die in der Uhrmacherei oft angewandt wird, um dem Zifferblatt nicht nur Tiefe zu verleihen, sondern auch die hohe Kunst der Zifferblattgestaltung zu betonen. Aus technischer Sicht ist es eine Kunstform, mit der Ornamente mit sich wiederholenden Mustern oder mit Moiré-Effekt, bei dem Linienraster übereinandergelegt werden, in ein Zifferblatt graviert werden. Die traditionellste Variante des Guillochierens erfolgt an einer Drehbank, einer manuell bedienten Maschine, die das Zifferblatt (oder auch andere Gegenstände) um die eigene Achse dreht, während ein spitzes Werkzeug mit leichtem Druck haarfeine Linien eingraviert und so die sogenannte Tapisserie erstellt.

Guillochierte Zifferblätter können auf zweierlei Weise angefertigt werden: maschinell oder von Hand. Nehmen wir das berühmte Motiv der Royal Oak Grand Tapisserie von Audemars Piguet, das auch als „Clous de Paris“ bezeichnet wird, weil es an die Pariser Kopfsteinpflasterstraßen erinnert. Dieses Muster wird mithilfe einer Drehmaschine und einer Geradezugmaschine handguillochiert. Durch das Zusammenspiel der kreisförmigen und geraden Bewegungen entsteht dieses wunderschön gemusterte Zifferblatt. Das maschinelle Guillochieren ist ein stärker automatisiertes Verfahren, das unter Aufsicht des Guillocheurs erfolgt.

Beide Verfahren erfordern ein hohes Maß an Geschick, Kunstfertigkeit, Geduld, Konzentration und natürlich Sachverstand. Abschließend seien noch die vielen verschiedenen Guilloche-Arten erwähnt, wie z. B. das Hufnagelmuster, das Gerstenkornmuster, Vieux Panier, der Sonnenschliff und das Grenadier-Muster, um nur einige zu nennen.

Emaille

Emaille ist, wie das Guillochieren, eine Technik, die in der Uhrmacherei zum Einsatz kommt, um Zifferblätter anzufertigen, die zu den schönsten der Welt gehören. Ähnlich wie die Guilloche ist sie eine Kunstform, die ein hohes Maß an technischem Können erfordert. Doch was genau bedeutet der Begriff und welche Techniken gibt es? Ich möchte hier deutlich hervorheben, dass jedes Emaille-Zifferblatt einzigartig ist und keine zwei Stücke identisch sind. Sollten Sie eines besitzen, handelt es sich also um ein echtes Unikat.

Montblanc Villeret Monopusher Chronograph
Montblanc Villeret Monopusher Chronograph – Zu den Angeboten aller Uhren mit Emaille Zifferblatt auf Chrono24

Das Wort Emaille leitet sich vom altdeutschen Wort „smelzan“ ab, das später als „esmail“ ins Altfranzösische eingegangen ist. Heute tragen Zifferblätter mit diesem Material und dieser Technik gelegentlich auch den Schriftzug „Email“. Auch der französische Begriff „Emaillage“ bezieht sich auf diese Technik. Laut Vacheron Constantin wurde „die Kunst des Emaillierens vor fast 4000 Jahren von Handwerkern aus dem Orient erfunden. Mit Aufkommen der Uhrmacherei im 17. Jahrhundert wurde Genf zum Zentrum der Miniatur-Emailmalerei in Grand-Feu-Technik zur Dekoration von Armbanduhren.“

Emaille ist ein sogenanntes Schmelzglas, das aus Silikat, Bleioxid und Soda besteht. Mit anderen Stoffen vermischt, kann Emaille leuchtende Farbtöne mit einer subtilen, geheimnisvollen Tiefe annehmen. Zum Einfärben von Emaille verwendete Stoffe sind beispielsweise Eisen, Chrom und Jod, die Grau-, Grün- bzw. Rottöne erzeugen. Wird Emaille auf Temperaturen von 800 bis 1200 °C erhitzt, wird sie flüssig und haftet an Metall. Auf Zifferblätter wird sie mit einem Gänsekiel aufgetragen. Dabei muss sie nach und nach aufgebracht werden, damit die richtige Tiefe entsteht und so die gewünschte Farbnuance erreicht wird.

Für Emaille gibt es keine allgemeingültige Rezeptur und genau da wird das Handwerk zur Kunst. Emailkünstler können durch verschiedene Mischungsverhältnisse von Silikat und Metalloxiden eine unendliche Farbpalette erzeugen. Genau genommen ist der Prozess des Emaillierens eine dekorative Kunstform, die vom ersten bis zum letzten Handgriff ein irrsinniges Maß an Können und Geduld erfordert. Das Problem bei Emaille ist, dass sie äußerst schwer kontrollierbar ist und es während der Herstellung eines Emaille-Zifferblatts jederzeit passieren kann, dass Risse oder Luft- bzw. Gasbläschen, die winzige Löchlein hinterlassen, auftreten oder die Farbe am Ende nicht den gewünschten Ton hat.

Jedes Emaillierverfahren erfordert ein ganz eigenes Maß an Geschick und Präzision. Die am weitesten verbreiteten Emailarten in der Haute Horlogerie sind Grand Feu, Cloisonné und Champlevé. Der Begriff „Grand Feu“ bezieht sich üblicherweise auf ein spezielles Verfahren, bei dem der Handwerker Oxide in Schichten auf das Zifferblatt aufträgt und dieses mehrmals brennt, sodass die Motive und Farben nach und nach sichtbar werden. Die so entstandenen Dekore sind hinterher nicht mehr veränderbar, was diesen Zifferblättern einen Hauch von Ewigkeit verleiht.

Patek Philippe Worldtimer mit Cloisonné Zifferblatt
Patek Philippe Worldtimer mit Cloisonné Zifferblatt, Bild: Auctionata

Cloisonné ist eine Emailtechnik, bei der zuerst die Umrisse des Zifferblattdesigns mit Golddraht oder dünnen Cloisons (franz. für Scheidewände) auf das Zifferblatt aufgebracht werden, woraus letztlich ein Muster entsteht. Diese bleiben nach der Fertigstellung sichtbar und grenzen die einzelnen, meist verschiedenfarbigen Emaille- oder Intarsienzellen voneinander ab. Beim Cloisonné-Verfahren kommt ein Emailpulver zum Einsatz, das zu einer Paste verarbeitet wird, die dann im Ofen gebrannt wird.

Champlevé ist ein Emaillierverfahren, bei dem Metall mit einem Werkzeug, meist einem Stichel, ausgeschabt wird und die so entstandenen Vertiefungen mit Emaille gefüllt werden. Das Werkstück wird dann erhitzt, bis die Emaille schmilzt, und nach dem Abkühlen poliert.

Wie Sie sehen, hat jede Emailtechnik einen anderen Effekt auf das Zifferblatt und die Gesamtwirkung einer Uhr. Während das Grand-Feu-Verfahren wohl eine reinere Form des Emaillierens ist, sind das Champlevé- und das Cloisonné-Verfahren in meinen Augen genau gegensätzlich zueinander. Beim Champlevé wird eher etwas weggenommen (d. h., das Zifferblatt wird teilweise ausgehöhlt), beim Cloisonné werden dem Zifferblatt Zellen hinzugefügt.

Wir haben heute nur ein paar Techniken behandelt, mit denen Zifferblätter gestaltet werden, die zu den grandiosesten, interessantesten und schönsten gehören, die es heutzutage auf dem Markt gibt. Doch das ist noch lange nicht alles. In den nächsten Wochen werden wir uns weitere Verfahren ansehen, also schauen Sie wieder vorbei!


Über den Autor

Christopher Beccan

Christopher Beccan ist Gründer des Online-Magazins „Bexsonn“ und schreibt dort regelmäßig über seine zwei Leidenschaften: Außergewöhnliche Uhren und Whisky. Weitere …

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