Sind Automobildesigner gute Uhrendesigner? Wie steht es mit Möbeldesignern? Man möchte meinen, dass die verschiedenen Designdisziplinen viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Das Uhrendesign ist aber immer schon eine ganz eigene Nische gewesen, da es wesentlich mehr Spezialwissen erfordert als andere Bereiche.
Eine Uhr zu designen, ist ein komplexes Unterfangen. Der Designer muss dabei die technische Konstruktion der Uhr berücksichtigen und ein tragbares Produkt gestalten. Letzteres spielt eine ganz besondere Rolle. Natürlich ist auch das Automobildesign ein Zusammenspiel aus Ästhetik und Technik, doch es bietet mehr Spielraum bei der Dimensionierung. Das Design einer Uhr muss auf die Größe und Funktionalität des Uhrwerks abgestimmt sein und vor allem muss es Freude machen, die Uhr zu tragen. Das verlangt einiges an kreativem Können.
Wenn Sie ein wenig tiefer in die Welt der Uhren eintauchen, werden Sie schnell feststellen, dass die Branche ihre Designhelden selten würdigt. Fragen Sie einen Uhrenliebhaber nach drei berühmten Uhrendesignern und er wird sich mit der Antwort wahrscheinlich schwertun. Fragen Sie ihn nach berühmten Mode- und Automobildesignern und die Sache verhält sich schon anders.
Es gibt eine ganze Reihe von Designern, die sich, nachdem sie sich in anderen Branchen einen Namen gemacht hatten, an das Design von Uhren wagten. Wir möchten Ihnen drei berühmte Produktdesigner vorstellen, die sich an der Gestaltung edler Zeitmesser versucht haben.
1. Marc Newson für Ikepod
Der berühmteste Produktdesigner, von dem auch viele Uhren stammen, ist Marc Newson. Newson war schon als junger Mann von Uhren fasziniert. Im Jahr 1986, im Alter von 23 Jahren, entwarf er seine erste Armbanduhr, der er den Namen „Pod“ gab. Newson fertigte jede seiner 100 Pod-Uhren eigenhändig an. Dank dieser Erfahrung begriff er, wie schwierig es ist, eine Armbanduhr zu designen, zu konstruieren und zu produzieren.
Für sein Uhrendesign wurde der Australier allerdings nicht berühmt. Seine Bekanntheit verdankt er vielmehr seinen Möbeldesigns. Vor allem für seinen Lockheed Lounge Chair erhielt er viel Anerkennung. Das Thema Uhren ließ Marc Newson jedoch nicht los. Gemeinsam mit Oliver Ike gründete er 1994 die Uhrenmarke Ikepod. Newson war für das Design verantwortlich, während Ike sich um das Geschäftliche kümmerte. Nach der Ikepod Seaslug, die sich nicht wirklich durchsetzen konnte, brachten die beiden die inzwischen legendäre Ikepod Hemipode heraus.
In der Hemipode kommt Newsons einzigartige Vision von Produktdesign zum Ausdruck. Mit ihrem runden Gehäuse, dem perfekt symmetrischen Zifferblatt und dem einzigartigen integrierten Armband sieht die Uhr einfach umwerfend aus und sitzt komfortabel am Handgelenk. Newson hat sich bei seinem Entwurf also nicht nur über das Aussehen Gedanken gemacht. Die Hemipode beweist, wie ein ursprünglich branchenfremder Designer mit seiner eigenen Philosophie das Uhrendesign verbessern kann. Genau das machte die Hemipode zu einer Ikone der Uhrenwelt, die sowohl Uhren- als auch Designliebhaber begeistert.
Giugiaro für Seiko
Wenn Sie sich für Autos interessieren, haben Sie wahrscheinlich schon von Giorgetto Giugiaro gehört. Der berühmte italienische Industriedesigner schuf die Entwürfe für den BMW M1, den Maserati Ghibli, den ersten VW Golf sowie den berühmten DMC DeLorean aus dem Film Zurück in die Zukunft. Zahlreiche legendäre Automobile sind auf Giugiaros Zeichenbrett entstanden, doch er und sein Team stehen ebenfalls hinter dem Design einiger Nikon-Kameras, Beretta-Handfeuerwaffen, Okamura-Möbel und Seiko-Uhren.
Giugiaro und Seiko gingen 1983 eine Zusammenarbeit ein, um eine neue Uhr zu entwickeln. Was Giugiaro an Kreationen hervorbrachte, war schlicht und ergreifend bemerkenswert. Er entwarf vier verschiedene Versionen der Seiko Speedmaster, von denen jede ein charakteristisches asymmetrisches Gehäuse besaß: in der Mitte rund mit einem eckigen Element für die Chronographendrücker an der Seite. Diese eigenwilligen Konturen passten perfekt zur Figur der Ellen Ripley aus dem Film Aliens (1986), gespielt von Sigourney Weaver. Der Film machte die Uhr über Nacht berühmt und brachte ihr den Spitznamen Seiko Speedmaster „Ripley“ ein.
Und noch eine weitere legendäre Speedmaster war in Aliens zu sehen: die Seiko Speedmaster „Bishop“. Auch sie verdankt ihren Spitznamen einer Figur aus dem Film. Die Uhr wurde für ihr asymmetrisches, nach rechts versetztes Gehäuse bekannt. Im Laufe der Jahre designte Giugiaro eine Reihe von Uhren für Seiko, darunter die Speedmaster LCD, die Speedmaster LCD Diving Watch und die Riders’ Chronograph. Alle zeichnen sich durch ihre ungewöhnlichen Formen und Designmerkmale aus. Giugiaro hat das Uhrendesign zwar nicht revolutioniert, aber seine Zeitmesser sind bei Fans beliebte Kultobjekte.
Roger Tallon für LIP
Ein dritter und letzter Designer, der aus anderen Bereichen der Industrie zum Uhrendesign kam, ist Roger Tallon. Der Franzose machte sich mit mehreren berühmten Produktdesigns einen Namen. Sein außerordentliches Werk umfasst Autos für Peugeot, Lampen für Erco, Möbel für Sentou, Projektoren für Kodak und die berühmten TGV-Hochgeschwindigkeitszüge. In den frühen 1970er-Jahren, auf dem Gipfel seines Ruhms, tat sich Tallon mit dem französischen Uhrenhersteller LIP zusammen, um einige bemerkenswerte Uhrendesigns zu entwickeln.
LIP ist stolz darauf, als französische Marke in einer von Schweizern dominierten Branche erfolgreich zu sein, und entschied sich deshalb für die Zusammenarbeit mit einem Landsmann. Tallons Designs spielen mit asymmetrischen Formen und einzigartigen runden Drückern, die in das Gehäuse integriert sind. Sein berühmtestes Uhrendesign ist die LIP Mach 2000 Chronograph – eine außergewöhnliche Kreation zwischen seriösem Zeitmesser und Spielzeuguhr. Zu ihren charakteristischen Merkmalen gehört das schwarze, asymmetrische Gehäuse mit den farbenfrohen Drückern an der Seite, die an Kaugummikugeln erinnern. Ein kühnes Statement in einer von der japanischen Quarz-Revolution geprägten Ära.
Die Uhren, die Tallon für LIP kreierte, entsprachen in ihrer Gestaltung dem zur damaligen Zeit im Produktdesign vorherrschenden Trend zu organischen Formen. Gutes Uhrendesign geht jedoch nicht immer mit den Trends einer Zeit konform. Zwei weitere LIP-Uhren von Tallon, die Frigo und die TV, sind wesentlich konventioneller gestaltet. Dennoch sind sie von der typischen Formensprache der 1970er-Jahre inspiriert und damit gewagter als die meisten anderen Uhren dieser Ära.
Allgemein kann man sagen, dass sich das Uhrendesign selten so wagemutig zeigt wie andere Designdisziplinen. Trotzdem hat sich in den letzten 20 Jahren viel geändert. Unabhängige Marken wie MB&F, Urwerk und HYT haben bei ihren Uhren das Design in den Vordergrund gerückt und erhalten dafür großen Beifall. Sie beweisen, wie viel mehr möglich ist in einer Branche, die ihre gestalterische Inspiration vor allem in der Vergangenheit sucht. Natürlich verdanken wir dieser Tradition auch all die legendären Zeitmesser, die wir kennen und lieben. Um die Ausgangsfrage dieses Artikels zu beantworten: Nein, nicht jeder gute Designer ist automatisch auch ein guter Uhrendesigner, aber manchmal können großartige Designer großartige Uhren entwerfen!
