22.06.2020
 5 Minuten

Fliegeruhren mit ungewöhnlichen Funktionen

Von René Herold
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Fliegeruhren mit ungewöhnlichen Funktionen

Mit dem Aufkommen der Fliegerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts trat auch eine völlig neue Art von Uhr ihren Siegeszug an: die Fliegeruhr. Einige Modelle besitzen Zusatzfunktionen, die man an einer Armbanduhr nicht unbedingt erwartet. Welche Funktionen das sind und ob solche Uhren eine lohnende Anschaffung sind, verrät Ihnen dieser Artikel.

Was zeichnet eine Fliegeruhr aus?

Fliegeruhren verdanken ihre Existenz der Tatsache, dass die frühen Piloten nach einer Uhr verlangten, die sie immer im Blick haben konnten, ohne die Hände vom Steuerknüppel nehmen zu müssen. Die einfache wie geniale Lösung war ein Zeitmesser, den man mit einem Armband am Handgelenk befestigen konnte. Uhren wie die 1904 erstmals vorgestellte Cartier Santos waren in der Blütezeit der Taschenuhr eine wahre Sensation und läuteten das Zeitalter der Armbanduhr ein.

Doch dass Fliegeruhren unter Uhrenenthusiasten bis heute so beliebt sind, liegt nicht allein am Armband. Fliegeruhren gelten als robust, zuverlässig und hochfunktional. Dies zeigt sich besonders gut in der Gestaltung der Zifferblätter: Ihr schnörkelloses, auf das Notwendigste reduziertes Design sowie der hohe Kontrast zwischen dem meist dunklen Untergrund und den hell nachleuchtenden Ziffern, Zeigern und Indizes ergeben eine perfekt ablesbare Uhr.

IWC Big Pilot
IWC Big Pilot

Mit den Jahren erweiterten findige Uhrmacher die Fliegeruhren um immer neue Funktionen. Zu den gebräuchlicheren zählt zum Beispiel die Chronographenfunktion, die den Piloten das Navigieren deutlich erleichterte. Ähnlich hilfreich war auf Langstreckenflügen die GMT-Funktion, die die Uhrzeit in verschiedenen Zeitzonen darstellt. Bestimmte Zeitintervalle konnte man hingegen mit der drehbaren Count-Down-Lünette im Blick behalten.

Neben diesen eher gebräuchlichen Zusatzfunktionen kommen aber auch immer wieder Uhren mit etwas speziellerer Ausstattung auf den Markt. Einige davon wollen wir uns nun einmal genauer anschauen.

Uhren Mit Höhenmesser und Kompass

Der Höhenmesser ist aus keinem Cockpit wegzudenken. Er zeigt dem Piloten die aktuelle Flughöhe an und gibt Aufschluss darüber, ob sich das Luftfahrzeug im Sink- oder Steigflug befindet – ein unerlässliches Hilfsmittel bei schlechter Sicht oder Nachtflügen. Inzwischen hat der Höhenmesser seinen Weg auch in die eine oder andere Fliegeruhr gefunden. In den meisten Fällen setzen die Hersteller dabei auf elektronische Messinstrumente, so wie z.B. Tissot in den Uhren der T-Touch- Reihe. Einen anderen Weg wählte die Schweizer Uhrenmanufaktur Oris bei der Big Crown Altimeter. Hier erfolgt die Höhenmessung vollständig mechanisch. Im Inneren der Uhr sitzt eine kleine Blechdose, wie man sie auch aus dem guten, alten Dosenbarometer kennt. Die Dose reagiert auf den sich ändernden Luftdruck und verformt sich entsprechend. Diese Bewegung wird wiederum auf eine Nadel übertragen, die auf einer Skala den Druck und die korrespondierende Höhe anzeigt.

Oris Big Crown ProPilot Altimeter
Oris Big Crown ProPilot Altimeter

Der Kompass darf ebenfalls in keinem Flugzeug fehlen. Sollte das Instrument im Armaturenbrett jedoch einmal den Dienst versagen, lassen sich die Himmelsrichtungen auch mit einer Uhr relativ leicht bestimmen – vorausgesetzt die Uhr verfügt über eine analoge Zeitanzeige. Auf der Nordhalbkugel richtet man den Stundenzeiger einfach auf die Sonne aus, halbiert den Bereich zwischen Stundenzeiger und 12 Uhr und weiß genau wo Süden ist. Befindet man sich auf der Südhalbkugel, kann man mit dieser Methode die Nordrichtung ermitteln. Uhren wie die Breitling Cockpit B50 oder die Citizen Promaster Altichron bieten zu diesem Zweck spezielle Kompass-Lünetten, die neben den vier Himmelsrichtungen auch über eine Gradeinteilung verfügen. Auf diese Weise verwandeln sich diese Uhren schnell in vollwertige Navigationstools.

Rechenschieber und Driftwinkel

Bevor die Computertechnik Einzug in die Cockpits von Flugzeugen und Hubschraubern hielt, mussten die Piloten nicht nur den Kurs, sondern auch den Treibstoffverbrauch, Sink- und Steigraten und Kursabweichungen von Hand berechnen. Sie nutzten dazu meist einen Rechenschieber, mit dem man multiplizieren und dividieren, aber auch Rechenoperationen wie Quadrieren, Wurzelziehen, Logarithmieren oder trigonometrische Berechnungen ausführen konnte.

Breitling Navitimer
Breitling Navitimer

Uhrenhersteller kamen schon relativ früh auf die Idee, Fliegeruhren mit genauso einem Rechenschieber auszustatten. Breitling entwickelte mit der Chronomat beispielsweise schon 1942 eine Uhr mit integrierter Rechenscheibe. Zehn Jahre später präsentierte das Schweizer Traditionsunternehmen die erste Navitimerund feierte damit einen riesigen Hit. Der Fliegerchronograph mit der charakteristischen Rechenschieberlünette gehört bis heute zu den beliebtesten Breitling-Modellen und sollte in keiner Fliegeruhrensammlung fehlen. Können Sie auf die Chronographenfunktion verzichten, bietet sich die Seiko ProSpex Automatik Aviation SRPB61J1 als preisgünstige Alternative an.

Eine für Piloten besonders wichtige Information ist die, in wieweit Seitenwinde und Luftströmungen ihren vorgegebenen Kurs beeinflussen. Um entsprechend gegensteuern zu können, müssen sie den sogenannten Driftwinkel berechnen. In modernen Passagiermaschinen übernehmen natürlich Computer diese Aufgabe. Segel- und Sportflieger müssen diese Berechnungen allerding oftmals von Hand erledigen. Uhren wie die Hamilton Khaki Aviation X-Wind können dabei eine große Hilfe sein. Sie sind mit einer speziellen Rechenschieber-Lünette ausgerüstet, die ausschließlich dazu dient, den Driftwinkel zu ermitteln.

Hamilton Khaki Aviation X-Wind
Hamilton Khaki Aviation X-Wind

Charles Lindbergh und die Stundenwinkeluhr

Eine der frühesten Komplikationen speziell für Piloten stammt aus dem Hause Longines. Die Schweizer Manufaktur entwickelte 1927 zusammen mit dem US-amerikanischen Navigationsspezialisten und Luftfahrtpionier Philip Van Horn Weems die sogenannte Weems Second Setting Watch. Die Uhr verfügt im Zentrum des Zifferblattes über eine drehbare Scheibe, mit der sich die Sekunden zu einem Zeitzeichen synchronisieren lassen. Die Uhr ist bis heute Bestandteil des Longines-Portfolios und diente zugleich als Grundlage einer weiteren berühmten Uhr: der Longines Lindbergh Hour Angle Watch aus dem Jahr 1931.

Charles Lindbergh war nach seinem historischen Transatlantikflug im Jahr 1927 an Longines herangetreten, um eine Uhr zu entwickeln, mit der Piloten auch über dem offenen Meer ihre aktuelle Position ermitteln können. Heraus kam die Stundenwinkeluhr. Sie ermöglichte es einem Navigator, im Zusammenspiel mit einem Sextanten und einer astronomischen Tabelle den aktuellen Längen- und Breitengrad zu berechnen. Auch die Lindbergh Hour Angle Watch finden Sie nach wie vor im Programm von Longines.

Longines Lindbergh Hour Angle watch
Longines Lindbergh Hour Angle watch

Lohnt sich der Kauf einer Fliegeruhr mit besonderen Funktionen?

Wenn Sie sich nun fragen, wer heutzutage eine Uhr mit Rechenschieber, Höhenmesser oder Kompass braucht, lautet die Antwort: Wahrscheinlich niemand. Jedes halbwegs aktuelle Smartphone erledigt den Job mit Sicherheit um Längen besser und einfacher. Selbst bei der Zeitanzeige sind Smartphones Armbanduhren – und besonders mechanischen – haushoch überlegen. Bedeutet das, dass diese Uhren überflüssig sind? Absolut nicht!

Armbanduhren mit einem mechanischen Höhenmesser oder einer Rechenschieberlünette mögen wie eine unnütze Spielerei erscheinen. Sie sind jedoch ein Ausweis für Kreativität und Handwerkskunst. Viele dieser Uhren haben außerdem eine reiche Geschichte. Sie strahlen Klasse aus, sind ein Blickfang und der perfekte Conversation-Starter. Und man darf auch nicht vergessen, dass all diese Zusatzfunktionen voll einsatzfähige Tools darstellen. Sollten Sie also einmal in die Verlegenheit geraten, zum Beispiel eine logarithmische Funktion ohne elektronische Helferlein berechnen zu müssen, kommt Ihnen eine Uhr mit Rechenschieber bestimmt gelegen.

Uhren wie diese richten sich in erster Linie an Fans und Liebhaber von Fliegeruhren, die nach etwas Besonderem suchen. Diese Zeitmesser eignen sich auch sehr gut als Sammelobjekte. Klassiker wie die Breitling Navitimer oder die Longines Hour Angle Watch sind zudem verhältnismäßig wertstabil.

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Über den Autor

René Herold

Mein Name ist René Herold und ich bin durch eine Stellenausschreibung auf Chrono24 aufmerksam geworden. Ich muss ehrlich zugeben, dass Uhren vor meinem Engagement bei …

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