28.12.2020
 5 Minuten

Rolex entdeckt die bunte Smarties-Welt erneut

Von Sebastian Swart
Rolex entdeckt die bunte Smarties-Welt erneut

Rolex entdeckt die bunte Smarties-Welt erneut

Die Community staunte nicht schlecht, als Rolex im September 2020 insgesamt fünf neue Zifferblattfarben für seine brandneuen Oyster Perpetual-Modelle vorstellte. Die Reihe erstrahlt plötzlich in bunten, geradezu grellen Zifferblattfarben, die für Rolex-Verhältnisse absolut untypisch erscheinen. Schauen wir jedoch zurück in die 1970er-Jahre, dann entdecken wir die poppige Welt der Rolex Stella Dials. Das Unternehmen stellte seinerzeit Modelle der Day-Date und Datejust in insgesamt elf verschiedenen Zifferblattfarben vor. Damals erwartete die Kundschaft jedoch konservativere Farben und so gestaltete sich die Idee als Flop. 2020 ist die Welt globalisiert und bunt. Weltweit entdeckt die junge und häufig wohlhabende Generation der Millennials Luxusuhren für sich. Kann Rolex mit seinen farbenfrohen Oyster Perpetuals bei diesem Publikum punkten?

Rolex Stella Dials – ein Rückblick in die 1970er-Jahre

Grün, Türkis, Rosa, Gelb und Lila: Diese Zifferblattfarben klingen bereits exotisch, doch Rolex traute sich Anfang der 1970er noch mehr. So präsentierte das Unternehmen damals darüber hinaus die Farben Ochsenblut, Lachs, Pfirsich, Rot, Orange und Blau. Das waren insgesamt elf Farben für die Day-Date und einige wenige Datejust Referenzen. Unter dem Namen Stella Dial wurden die Zifferblätter im Laufe der Jahre berühmt. Woher der Name genau stammt, ist nicht abschließend geklärt. Gesichert ist jedoch, dass Rolex diese Bezeichnung offiziell in seiner Kommunikation verwendete. Die Zifferblätter bestehen aus Emaille, die mehrfach von Hand farbig lackiert wurde.

Rolex Day-Date mit Stella Zifferblatt in Oxblood
Rolex Day-Date mit Stella Zifferblatt in Oxblood

Zwar waren die 70er in vielerlei Hinsicht bunt, doch farbenfrohe Uhren waren zu einer Zeit, in der die Swatch-Uhr noch nicht erfunden war, äußerst ungewöhnlich. Rolex produzierte die Zifferblätter zwar vornehmlich für seine Märkte im mittleren Osten und Asien, doch auch dort gelang der Durchbruch nicht. So verstaubten die ambitioniert gestalteten Uhren in den Auslagen der Konzessionäre. In der Folge stellte Rolex die Produktion ein und soll bereits hergestellte Zifferblätter vernichtet haben. Ein Grund dafür, warum sie heute so selten und unter Sammlern begehrt sind.

Bonbonfarben für eine junge, weltoffene Zielgruppe

Als Millennials oder Digital Natives werden nach gängiger Definition junge Leute bezeichnet, die zwischen 1981 und 1996 geboren wurden. Während diese Zielgruppe für die Industrie in der Vergangenheit eine eher untergeordnete Rolle spielte, rückt sie seit einigen Jahren verstärkt auch in den Fokus weltweit agierender Hersteller von Luxusgütern. So auch von Rolex. Grund hierfür ist, dass diese stetig wachsende Gruppe heute über deutlich mehr Vermögen – und somit Kaufkraft – verfügt als noch die Vorgängergenerationen. Dies gilt vor allem für China, wo der Anteil der Millennials 24 % beträgt. Zum Vergleich: in Europa beträgt der Anteil 21 %.

Außerdem entwickeln diese Menschen immer früher ein sicheres Gespür für Mode, Reisen und Luxusuhren. Millennials sind also eine hart umkämpfte und aufgeklärte Zielgruppe, bei der Hersteller hochwertiger Uhren neben hoher Qualität und Markenbekanntheit vor allem mit Alleinstellungsmerkmalen punkten müssen. Was liegt da näher, als ein ansonsten recht konservatives Luxusprodukt farblich völlig neu – und zielgruppengerecht – zu präsentieren?

Oyster Perpetual 2020 – der neue Anlauf

Rolex Oyster Perpetual in candy pink
Rolex Oyster Perpetual in Candy Pink

Rolex wagte 2020 mit bunten Oyster Perpetual Modellen also noch einmal den Sprung ins kalte Wasser. So risikoreich wie noch vor über 40 Jahren dürfte dieser Schritt jedoch nicht ausgefallen sein, sind Marktdatenanalyse und Zielgruppenforschung doch deutlich weiter fortgeschritten als damals. Insofern werden die Verantwortlichen bei Rolex sich wohl etwas dabei gedacht haben, als sie neben den Farben Grün, Gelb und Türkisblau auch Candy Pink und Korallenrot für die Oyster Perpetual ins Rennen schickten.

Rolex Oyster Perpetual in coral red
Rolex Oyster Perpetual in Korallenrot

Neben frischen Farben warten die Uhren auch mit neuen Manufakturkalibern auf. Seit 2020 gibt in den Versionen mit Durchmessern von 41 mm und 36 mm das Kaliber 3230 den Takt vor, während in den Varianten mit 28 mm und 34 mm das Kaliber 2232 tickt. Alle Werke verfügen über eine Syloxispirale aus Silizium und ein Paraflex-Antischocksystem. Rolex überarbeitete auch das Zifferblattdesign. Auffälligstes Merkmal sind die doppelten Balkenindizes bei 3, 6 und 9 Uhr.

Schwer verfügbare Swatch für betuchte?

Als Rolex im September die neuen Modelle in den Sozialen Medien vorstellte, waren die Reaktionen erwartungsgemäß durchwachsen. Auf der einen Seite sind die Befürworterinnen und Befürworter, die frische Farben begrüßen. Auf der anderen Seite ist die Gruppe, die bei Rolex-Uhren einen konservativen Auftritt erwartet. Letztere empfinden die grelle Farbgebung oft als billig und sehen in den Modellen nicht viel mehr als eine überteuerte Swatch. Dies sind allerdings wenig repräsentative Einzelmeinungen und noch kein Gradmesser für den zukünftigen Erfolg oder Misserfolg der Linie.

Eindeutiger sind die Meinungen, wenn es um das Thema Verfügbarkeit geht. Rolex-Uhren allgemein – und damit auch die neuen Oyster Perpetual – werden zwar beworben, sind über die Konzessionäre jedoch kaum zu beziehen. Die Folgen des guten alten Spiels der hohen Nachfrage bei geringer Verfügbarkeit sind lange Wartezeiten, die viele Kunden nicht bereit sind in Kauf zu nehmen. Dieser Umstand und die Tatsache, dass die Uhren auf dem Sekundärmarkt teils für das Doppelte gehandelt werden, sorgen vielfach für Frustration und schädigen das ohnehin vielfach als bigott empfundene Image von Rolex. Frei nach dem Motto „andere Mütter haben auch schöne Töchter“ scheinen nicht wenige potenzielle Kunden zu anderen Marken wie Tudor oder Omega abzuwandern.

Was sagen die Chrono24 Daten?

Der Top Seller: Die Rolex Oyster Perpetual Ref. 124300
Der Top Seller: Die Rolex Oyster Perpetual Ref. 124300

Schauen wir in unsere Verkaufszahlen von 2020: Demnach war die mit großem Abstand meistverkaufte Oyster Perpetual aus der aktuellen Kollektion die Referenz 124300 in 41 mm. Auf Platz zwei folgt die 36 mm große 126000. Die 277200 (31 mm) und die 34-mm-Variante mit der Referenz 124200 schaffen es auf Platz drei und vier. Prozentual gesehen beträgt der Anteil der neuen Referenzen am Gesamtverkauf 2020 aller Oyster Perpetual 13 %. Für einen Verkaufszeitraum von lediglich drei Monaten sicher kein schlechter Wert. Da die unterschiedlichen Farben – je nach Durchmesser – die gleiche Referenz besitzen, kann allerdings keine Aussage darüber getroffen werden, welche Variante die Nase vorn hat. Und: Die schwarzen und silbernen Zifferblätter sind in diesen Zahlen inkludiert.

Fazit

Unterm Strich betrachtet ist es nach nur drei Monaten sicherlich zu früh zu beurteilen, wie der Markt die bunte Vielfalt der neuen Perpetual-Modelle aufnimmt. Zwar war die Kollektion schon immer etwas farbenfroher als andere Linien der Marke, so knallig wie jetzt kam sie jedoch zuletzt vor vielen Jahrzehnten daher. Die frischen Farben heben sich meiner Meinung nach angenehm vom Rest des Portfolios ab und bringen frischen Wind hinein. Vor allem bei den Millennials in Asien, Russland und dem Nahen Osten dürften die Uhren gefragt sein. Ob sie dort im stationären Handel auch verfügbar sind, steht auf einem anderen Blatt. Bleibt Chrono24 und eine offene Frage: An welchen Farbkonzepten arbeiten die Rolex-Designer für die nächste heranwachsende Generation mit großer Kaufkraft, der Generation Z?

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Sebastian Swart

Chrono24 nutze ich privat bereits seit vielen Jahren zum An- und Verkauf, aber auch zur Recherche. Von Uhren bin ich fasziniert, solange ich denken kann. Bereits …

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